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fühlsvermögen. Die Altertumsstudien wurden durch Heyne (| 1812) wieder dem
größeren Kreis der Gebildeten näher gebracht, die Geschichtschreibung fand inSchlözer,
Spittler mit) Johannes v. Müller tt 1809) gelehrte und geistreiche Bearbeiter,
die deutsche Volksgeschichte in Justus M 5 f e r (f 1794) einen charaktervollen Darsteller. —
Neben den Geisteswissenschaften fanden auch die Naturwissenschaften Pflege; zu nennen
sind der Naturforscher B lumeubach tt 1810) und der Astronom Wilh. Herschel
(t 1822 in England), der 1781 den Planeten Uranus entdeckte.
§ 32.
Frankreich und die übrigen romanischen Staaten bis zur Revolution.
1. Frankreich unter Ludwig XV. Ans Ludwig XIV. folgte sein
fünfjähriger Urenkel Ludwig XV. (1715—74). In der Zeit seiner Minder¬
jährigkeit führte die Regentschaft der begabte, aber sittenlose Neffe Ludwigs XI Vv
Philipp von Orleans1, dessen Ratgeber Kardinal Dubois war. Nach dem
Tode dieser beiden Männer (1723) übernahm Ludwig XV. die Regierung,
überließ aber die Staatsgeschäfte bald feinern Erzieher, dem bejahrten Kardinal
Fleury, welcher durch eine friedliebende Politik die zerrütteten Finanzen Frank¬
reichs zu bessern versuchte. Nach Fleurys Tod (1743) gewannen die Mätressen
des Königs, die Marquise v. Pompadour (f 1764) und nach ihr eine zur
Gräfin Dubarry erhobene Buhlerin, Einfluß auf die Regierung. Das un¬
würdige Leben des Königs und feines Hofes, sowie die rühmlose Politik
Frankreichs in diesem Zeitraum untergruben das Ansehen des absoluten König¬
tums, welchem auch die Lehren der Aufklärungsphilosophen entgegenarbeiteten.
In die Zeit der Regentschaft fällt der Versuch des Schotten Law, durch Grün¬
dung einer Zeltelbank lind einer Handelsgesellschaft auf Aktien dem französischen Handel
uud zugleich der Staatskasse aufzuhelfen. Indem von allen Seiten Geld einlief gegen
die hochverzinslichen Scheine der Bank, so konnte die Gesellschaft den überseeischen
Handel (besonders nach Louisiana) an sich bringen, auch erfolgte eine ansehnliche
Minderung der Staatsschulden. Aber da der erwartete Ansschwuug des Kolouial-
haudels ausblieb, so konnte die Bank die Zinsen der ins Ungemesfene vermehrten
Scheine nicht mehr aufbringen unb mußte ihre Zahlungen einstellen. Die Privat-
gläubiger ber Bauk verloren an 2000 Millionen. Law starb arm in Venebig.
Lnbwigs Gemahlin war Maria Lesczinska, die Tochter des vertriebenen Polen-
königs Stanislaus. Letzterer erhielt 1738 das bis dahin zum deutschen Reich gehörige
Herzogtum Lothringen mit den Resibenzen Nancy unb Luueville; s. S. 103; nach seinem
Tob (1766) fiel Lothringen an Frankreich. Balb darauf kam Korsika, bas seit bem
1 Der Sohn jener deutschen Prinzessin Elisabeth Charlotte, um deren willen der Krieg
von 1-688 entbrannte; s. S. 80.
2 Dieselben beliefen sich infolge der Kriege und Bauten Ludwigs XIV. auf 3000 Mill.
Franken; heute (1892) bei einem ausgebildeten Kreditsystem und verändertem Geldwerte auf
über 30000 Mill. Franken.