— 10 —
einzelnen Staaten gefolgt ist, beginnt auch bei den Griechen die eigentliche
zuverlässige Geschichtsschreibung. Den Werken, die von ihr erhalten sind,
kann sich endlich die historische Darstellung von der Machtentfaltung der
Hellenen in ihrem Beginne, ihrer Blüte und ihrem Verfalle anschließen.
Eine Stütze und Ergänzung wird ihr geboten durch die zahlreichen Denk¬
mäler der Künste und Wissenschaften, in deren Aufblühen und Sinken sich
zugleich Auf- und Niedergang der hellenischen Nation wiederspiegelt.
Nach den wichtigsten Begebenheiten, die diesen Zeitraum ausfüllen,
teilt man ihn selbst in folgende Abschnitte ein:
1) durchdieAusbildung der StaatenmitihrenVerfassung s-
sormen gewinnen die Hellenen die Kraft,
2) in den Kämpfen mit denPersern ihre Freiheit siegreich zu
behaupten;
3) die inneren Streitigkeiten aber um die Einigung der
gesamten Nation führen zu dem Verfalle des Hellenentums;
4) ehe es jedoch völlig dahinsinkt, saßt König Alexander von
Makedonien seine Kräfte noch einmal zusammen zur Eroberung
des Perserreiches. Diesem glänzenden Nachspiele der griechischen
Geschichte folgt dann unter den minder begabten Nachfolgern der
völlige Verlust griechischer Selbständigkeit und die Unterwerfung
unter die Römer im Jahre 146 v. Chr.
I. Die vorhistorische Zeit.
Die Erinnerung daran, daß ihre Vorväter ehemals aus den: fernen
Osten nach Europa eingewandert waren, entschwand den Griechen im Lause
der Jahre völlig aus dem Gedächtnisse, ihnen galt es vielmehr als aus¬
gemacht, daß sie Ureingeborene in dem schönen Hellas wären. Wohl aber
lebte nach der sagenhaften Überlieferung, welche sie sich über die ältesten
Bewohner des Landes und über eingewanderte Fremdlinge, ferner über
die Heldenthaten der Vorzeit gebildet hatten, auch bei ihnen das dunkele
Bewußtsein davon fort, daß ihr Volk in der Vergangenheit verschiedene
Stusen der Entwickelung durchgemacht habe. An diese Berichte und Sagen
anknüpfend, unterscheidet die heutige Forschung zwei Entwickelungsstufen
der prähistorischen Zeit bei den Griechen: die srühere bezeichnet sie als
das pelasgische, die zweite, der historischen Zeit näherliegende, als
das achäische Zeitalter. In jener älteren Periode steht aber, wie die
Sagen von den fremden Einwanderern andeuten, das Griechenvolk in einem
lebhaften Austaufchverkehr mit den Orientalen, besonders mit den see¬
beherrschenden Phöniziern, und erst nachdem diese aus dem griechischen