Die Verbrennung Roms durch die Gallier. — Das Ende der Ständekämpfe.
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Aber die Decemvirn nutzten die ihnen verliehene Machtbefugnis in
sehr selbstsüchtiger Weise aus, legten ihr Amt nach Ablauf des Jahres
nicht nieder und ließen sich schwere Gewalttaten zuschulden kommen.
Der einflußreichste unter ihnen war der Sage nach Appins Claudius, Audius.
der stolze und anmaßende Sproß eines wegen seines Hochmuts verrufenen
PatriZiergeschlechts. Dieser machte den frevelhaften Versuch, Virginia,
die schöne Tochter eines angesehenen Plebejers, in seine Gewalt zu bringen,
indem er sie einem seiner Klienten, der sie auf sein Betreiben als seine
Sklavin beanspruchte, als Richter zusprach. Da entschloß sich ihr greiser
Vater zu einer furchtbaren Tat; er führte die Tochter, als wolle er von
ihr Abschied nehmen, beiseite und stieß ihr ein Messer, das er von einer
der am Forum befindlichen Fleischbänke wegnahm, in das Herz. Diese
Tat entflammte die Wut des Volkes. Zum zweiten Male soll die Plebs,
um sich vor Tyrannei zu schützen, aus Rom nach dem heiligen Bergheiligen
hinausgezogen fein; und nicht eher kehrten sie zurück, als bis die Decemvirn yerQ-
gestürzt worden waren.
Wenige Jahre nachher errang die Plebs ihren dritten Sieg.
Das Verbot der Ehe zwischen Patriziern und Plebejern wurde aufgehoben.
Tie Verbrennung Roms durch die Gallier.
Tas Ende der Stiindekämpfe.
§ 65. Die Eroberung von Veji und der Einfall der Gallier. Die
nächsten Jahrzehnte waren erfüllt von Fehden mit den Nachbarvölkern,
vor allen mit den Vejentern, den alten Feinden und Nebenbuhlern der Eroberung
Römer. Nach zehnjähriger Belagerung gelang es dem Diktator Marcus
Furius Camillus, die Stadt zu nehmen. Veji wurde zerstört; seitdem
war Rom die Hauptstadt der ganzen Gegend.
Camillus aber soll durch hoffärtiges Wesen die Plebejer gegen
sich ausgebracht haben. Als er in die Verbannung ging, soll er, anders eammu§-
als einst Aristides, die Götter gebeten haben, sie möchten geben, daß
feine Mitbürger bald nach ihm zurückverlangten.
Und wirklich brach kurz darauf ein schweres Unglück über Rom
herein. In jener Zeit hatten die Gallier in großen Schwärmen die Einbruch
Alpen überschritten, Oberitalien erobert und die Etrusker in große Be- ®amer-
drängnis gebracht. Als sie die Stadt Clufium belagerten, riefen die
Bürger Rom um Hilfe an; und der Senat schickte Gesandte, um einen
Frieden zu vermitteln. Aber die Friedensverhandlungen hatten keinen
Erfolg; da vergaßen die Gesandten so sehr ihrer völkerrechtlichen Pflicht,
daß sie sich am Kampfe beteiligten.