§ 52. Das griechische Geistesleben in der Zeit des politischen Zerfalls. 89
sich Dichtung und Wissenschaft mehr und mehr vom öffentlichen Leben los;
die Kunst aber trat in den Privatsold reicher oder mächtiger Gönner.
1. Die Beredsamkeit wurde vorzüglich in Athen durch die „Zehn
attischen Redner" ausgebildet, unter denen der Prozeßredner Lysias und
die politischen Redner Demosthenes und Äs ch in es obenanstehen.
Dichtung beschränkte sich allmählich ans das einzige Gebiet des
bürgerlichen Lustspiels (Sitten- und (Scharafterfomöbien von Ä^enander
unb anbereit, uns jedoch nur in römischen Nachbildungen erhalten).
3. Die Wissenschaft erlangte ihre höchste Ausbildung durch Aristo¬
teles (gest. 322), den größten aller Philosophen Griechenlands; als Arzt und
medizinischer (Schriftsteller war Hippokrätes angesehen (gest. 370).
Aristoteles, in der chalcidischen Stadt Stagira geboren, späterhin zu
Athen ein eifriger Schüler Platos (vgl. S. 83), ist als Lehrer und Schriftsteller der
eigentliche Begründer der einzelnen philosophischen Disziplinen geworden, nament¬
lich der Logik (oder Denklehre), der Rhetorik (oder Lehre von der Redekunst), der
Poetik (oder Lehre von der Dichtkunst), der Ethik (oder Sittenlehre), der Metaphysik
(oder Lehre vom Übersinnlichen), der Psychologie (oder Seelenlehre) und der ver¬
schiedenen Zweige der Physik (oder Naturlehre). Er lebte und lehrte zumeist in
Athen, wo er im Lyceum die Peripatetische Schule gegründet hatte.
4. Die Kunstöestreöungen. Entsprechend ber größeren Leidenschaftlich-
feit im politischen Leben, griff auch bie Kunst zu erregten ober weichlichen
Stoffen unb zu bewegteren Darstellungen (Verschiebung bes Schwerpunktes).
Unter bie angesehensten Meister dieser Zeit gehören die beiden Bilbhauer
Skopas unb Praxiteles als Vertreter ber Athenischen Schule, ferner Ly-
sippns als Hauptvertreter ber Peloponnesifchen Schule (ErzbilderAlexanders).
Fünfter Abschnitt.
Das MmdoilWe unb Älmmtmiiilriji' Zeitalter
bis F Eroberung Ägyptens durch die Römer 338-30 ». «hr.
Vgl. Karte III a S. 98.
A. Alexander der Große 336—323.
§ 53.
Alexanders Jugend und seine Regiernngsansänge.
1. Alexander als Thronfolger. Alexander war 356 geboren,
angeblich an demselben Tage, an welchem ein gewisser Herosträtus den
altehrwürdigen Artemistempel zu Ephesus in Brand steckte. Von Natur