fullscreen: Deutsches Lesebuch (Theil 2)

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ehrenvollste angesehen ward, ein achtungswerthes Ziel erhielt. 
Zn jenen Zeiten ging oft Gewalt vor Recht, die Gesetze 
gewährten noch wenig Schuh, denn sie waren entweder noch 
nicht für alle vorkommende Fälle bestimmt genug abgefaßt, 
oder es fehlte an der Macht, den Gesetzen Achtung und Ge¬ 
horsam zu verschaffen. Daher wurden die Schwachen, als 
die Frauen, Jungfrauen, Greise und Kinder, unbewaffnete 
Pilger, die Priester u. a. m. von den Mächtigen, Wehrhaften 
und Starken oft bedrückt und gemißhandelt. Wer aber 
selbst die Waffen führte, konnte sich den Uebermüthigen, den 
Streitsüchtigen und Boshaften entgegenstellen und Gewalt 
mit Gewalt vertreiben. Der Hinblick auf die vielen Hülf- 
losen erweckte den Gedanken auch für diese das Schwert 
gegen Bosheit und Unterdrückung zu ziehen, und es sich 
selbst als ein Gesetz der Ehre aufzulegen, die Schwachen 
und Hilfsbedürftigen zu beschützen. Dieser edle Gedanke 
legte den Grund zu einer weitverbreiteten Verbrüderung, 
dem Ritterthum oder dem Ritterwesen. Späterhin 
rechneten die Ritter es sich nicht allein zur Ehre, sondern hiel¬ 
ten es für eine heilige Pflicht gegen die Ungläubigen zu kämpfen. 
Schon vor den Kreuzzügen hatte ein solcher Kampf in Spa¬ 
nien gegen die Araber von Seiten der christlichen Spanier 
stattgefunden, und die Erzählungen von den bestandenen Aben- 
theuern erregten so sehr die Kampfeslust der benachbarten 
Franzosen, daß auch französische Jünglinge sich verpflichteten, 
gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Zu den Zeiten der Kreuz¬ 
züge trat diese Verpflichtung eines Ritters insbesondere her¬ 
vor, und das Verdienstliche dieser Zwecke erhob die Würde 
des Ritterthums so sehr, daß Könige und Fürsten es für eine 
Ehre schätzten, Ritter zu sein. 
Der Name Ritter kommt von reiten. Als König 
Heinrich I. beschloß, die Ungarn zu bekämpfen, war es noth¬ 
wendig, eine geübte und gewandte Reiterei, gleich der des 
Feindes zu haben, und seit dieser Zeit wurden die Reiter 
oder Ritter als der vorzüglichste Theil des Heeres angesehen, 
dahingegen die zu Fuß Streitenden weit weniger geachtet 
wurden. Es gehörte auch nicht wenig Gewandtheit und Ue¬ 
bung dazu, in schwerer Rüstung zu Pferde mit Lanze und 
Schwert zu kämpfen; da nun diese Uebung, so wie der zur 
Ausrüstung nothwendige Aufwand nur voit denen beschafft 
werden konnte, die ein eigenes Grundeigcnthum besaßen, so 
kam es dahin, daß die Reiterei vorzüglich aus dem Adel
	        
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