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verwesen lassen und sind neue Geschöpfe geworden. So
lernet nun von uns den alten Menschen aus- und den neuen
Menschen anziehen. So lange ihr aber hier auf Erden wal¬
let, sorget nicht für euern Leib, sondern lasset euren Gott,
der uns so herrlich zieret, nähret und mehret, auch für euch
sorgen /*
Ich höre diesen Feldpredigern zu, glaube ihren stum¬
men Worten, trete alle meine Sorge mit Füssen und gehe
fröhlicher meinen Weg, weil ich der väterlichen Fürsorge,
meines Gottes versichert bin. Ich verlange getrost zu ster¬
ben, weil ich nicht zweifie, mein Leib werde verklärt aufer¬
stehen und das Verwesliche werde auch an mir anziehen das
Unverwesliche.
111. Die Wiese im Frühling.
Wenn der Frühling beginnt, so fangen die Wiesen an zu
grünen. Sie legen ihr schmutziges Winterkleid ab. Es brechen
die bunten Blumen hervor, welche ihren grünen Mantel schmücken
sollen.
In den ersten Frühlingstagen blüht das Gänseblümchen
auf. Es liegt mit seinem weißen Sternchen noch halb auf der
Erde. Bald folgt ihm am Rain das Hirtentäschlein mit
seinen dreieckigen Schötchen und das Hungerblümchen. In
wasserreichem Boden tritt mit kräftigerem Wüchse das Wiesen¬
schaumkraut hervor. Alle sind in weiße Farben gekleidet. —
Bald kommen auch Blumen mit gelben Blüthen. An Gebüschen
auf sonnigen Hügeln zeigt sich die Schlüsselblume. Auf den
Niederungen erscheint in großer Menge der gelbe Hahnenfuß
und die Dotterblume mit den fetten, dunkeln Blättern. Bald
folgen auch noch Pflanzen mit bunten Blüthen. Die röthliche
Rispe des Ampfers tritt hervor; an feuchten Stellen folgt die
Kuckuks-Lichtnelke oder Fleischblume mit der zerrissenen,
flatternden Blüthe; bald zeigt sich anch der Klee mit seinem Drei¬
blatt und dem rothen, honigreichen Köpfchen. Leuchtend erhebt
dann die große Wucherblume ihren weißen Stern mit dem gelben
Knopfe in der Mitte. Neben sie stellt sich der Löwenzahn oder
die Kettenblume; noch höher steigt die Distel mit dem weichen,
purpurfarbigen Blüthenkopfe.
So wird das Grün der Wiese von blendenden Farben all-
mälig überdeckt. Endlich beginnt auch das Gras seine mattfar¬
bigen Blüthen zu treiben. Da schießt Halm an Halm auf mit
zierlich gestalteten Blüthen.