Full text: Lehrbuch der neueren Geschichte

verkündet. So gewöhnte märt sich baran, ben Sünbenerlaß 
immer leichter zu nehmen. Immer rücksichtsloser übte Rom 
das Ablaßwesen, welches allmählich zu einer Besteuerung ber 
Christenheit ausartete. Die Scholastiker suchten diesen kirch¬ 
lichen Ablaßgebrauch auch theoretisch zu begründen, indem sie 
behaupteten, Christus, Maria und die Heiligen hätten durch 
ihre überschüssigen Verdienste vor Gott einen unendlichen 
Schatz überflüssiger guter Werke angehäuft, von welchen die 
Kirche das Recht habe, an solche zu übertragen, die sie inner¬ 
lich und äußerlich hierzu für würdig erachte. 
b. Luthers Auftreten gegen den Tezelschen Ab¬ 
laßkram. Papst war seit 1513 Leo X., ans dem berühmten 
Geschlechte der Medici. Um Geld zum Ban der Peterskirche 
und zu seinem und seiner Verwandten Hofluxus zu erhalten, 
ließ derselbe durch den Erzbischof von Mainz und Magdeburg, 
Albrecht von Branbenbnrg (Bruder bes Kurfürsten Joa¬ 
chim I.) ben Ablaß gegen bie Hälfte bes Gewinnes in Dentsch- 
lanb verkaufen. Albrecht schickte Ablaßkrämer bnrch bas Lanb, 
von welchen befonbers ber Dominikanermönch Johann Tezel 
(eigentlich Diezel) ans Leipzig ben Hanbel im Erzbistum 
Magdeburg auf bas frechste betrieb. Luther, welcher ben 
entsittlichenden Einfluß bieses Ablaßkrames an vielen seiner 
Beichtkinber bemerkte, trat öffentlich gegen betreiben auf, inbem 
ich er am 3lten Oktober 1517, beut Vorabenbe Allerheiligen, 
95 Thesen ober Streitfätze an bie Schloßkirche zu Witten¬ 
berg anschlug unb sie gegen jebermann verteibigen zu wollen 
erklärte. In benfelben wenbete er sich nicht sowohl gegen ben 
Ablaß selbst als gegen den Mißbrauch desselben, indem er 
behauptete, daß Gott allein die rechte Absolution habe und 
daß der Papst gleich einem andern Bischof oder Pfarrer 
solche geistliche Absolution nur den Bußfertigen unb Gläubigen 
austeilen könne. Auch bürfe sich ber Ablaß nur auf Kirchen¬ 
strafen beziehen. 
Obwohl Luther selbst nicht im geringsten bie Absicht hatte, 
sich gegen bie Autorität ber Kirche aufzulehnen, so war biefes 
fein Auftreten, boch ohne baß er es ahnte, ber erste Schritt 
zu ber großen Kirchenspaltung unb wir rechnen baher ben 
31ten Oktober 1517 als ben Anfang ber Reformation. 
3. Ausdehnung des Streites. 
a;23ermitttungst)ersuche. Mit Blitzesschnelle würben 
bie Sätze bes kühnen Mönches über ganz Deutschland ver¬ 
breitet. Gegen Luther ergriffen Partei bie Dominikaner als 
bie Orbensgenoffen Tezels, so befonbers Sylvester Prierias 
(eigentlich Mazolini ba Prierio), ein hoher Hausbeamter bes 
Papstes, unb bie Universität Frankfurt a. b. O. aus Eifer-
	        
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