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III. Mathematische Erdkunde.
anstellen. Als Endpunkt des Stabes betrachtet man zweckmäßig die Öffnung d in
der Scheibe. Die hier angewandte Vorrichtimg nannten die Men das Gnvmon.
Nachts kann man die Nordsüdrichtung mittels des Polarsterns finden. Ein auf
diesen Stern sehender Beobachter hat N gerade vor sich.
Auch bei bedecktem Himmel und unter der Erde kann die Mittagslinie stets mit
Hilfe der Magnetnadel gefunden werden, wenn man die Abweichung der Nadel
von der wahren Nordfüdrichümg beachtet. Sie beträgt im mittlem Teutschland
gegenwärtig etwa 10° gegen W.
* § 4. Tie (scheinbare) tägliche Bewegung der Lonne. Wenn die Sonne
am Morgen im Horizont erscheint, so sagt man, sie geht auf. Die Stelle des Horizonts,
in der der Mittelpunkt der Sonnenscheibe zur Zeit des Aufganges steht, heißt der
Ausgangspunkt der Sonne. Während des Vormittags steigt diese in einem Bogen
am Himmel empor, erreicht am Mittag im 3 ihre größte Höhe, sie kulminiert, sinkt
dann zur entgegengesetzten Seite des Horizonts herab und erreicht diesen am
Abend im Untergangspunkte. Der Bogen, den die Sonne vom Aufgangs- bis
zum Untergangspunkte durchläuft, heißt der Tagbogen; auf ihm steht die Sonne,
solange es Tag ist. Während der Nacht beschreibt sie unter dem Horizout den Nacht¬
bogen und geht um Mitternacht zum zweitenmal durch unsern Meridiankreis, wo
sie bei der untern Kulmination ihren tiefsten Stand hat. Tag- und Nachtbogen
bilden zusammen den Tagkreis. Dieser steht schräg aus unserm Horizont; er wird
von der Sonne in 24 Stunden durchlaufen, so daß auf 1° vier Minuten Durchlaufs-
zeit kommen. Mithin findet nian aus der Größe des Tagbogens der Sonne, wie lange
sie über dem Horizont verweilt und umgekehrt.
* § 5. Tie (scheinbare) tägliche Bewegung und die Lichtgestalten des Mondes.
Wie die Sonne, so geht auch der Mond täglich im 0 auf, steigt bis zur Kulmination
empor, sinkt dann am Himmelsgewölbe herab und geht im W unter. Von da ab legt
er auch unter den: Horizont einen Bogen zurück, so daß er ebenfalls einen ganzen Tag-
kreis durchwandert, wozu er aber 50 Minuten mehr Zeit braucht als die Sonne. Seine
obere Kulmination verspätet sich daher der Sonne gegenüber täglich um 50 Alinuten,
ebenso seine Ausgangs- und Untergangszeit. Der Tagkreis des Mondes hat zu unserm
Horizont dieselbe Neigung wie der der Sonne, so daß beide einander parallel sind.
Der Mond erhellt mit seinem milden, blassen Licht einen großen Teil unserer
Nächte. Zuweilen ist er aus der ganzen Erde unsichtbar; am nächsten Tage erscheint
er nach Sonnenuntergang als schmale Sichel am Abendhimmel und wächst von
Abend zu Abend, bis die Lichtgestalt nach 7 Tagen 9 Stunden eine halbe Scheibe
darstellt. Das Wachsen der Lichtgestalt geht fort, bis nach einem ebensolangen Zeit-
räum die Scheibe vollständig ist. Nun nimmt die Mondscheibe von der rechten Seite
her an Größe ab; nach 7 Tagen 9 Stunden ist sie nur halb. Bei täglich fortdauerndem
Abnehmen wird sie zur schmalen Sichel, und sind seit der vorigen Lichtgestalt wieder
7 Tage 9 Stunden vergangen, so ist der Mond abermals für die ganze Erde unsichtbar.
Man unterscheidet somit vier Lichtgestalten (Phasen) des Mondes: Neumond,
Erstes Viertel, Vollmond, Letztes Viertel. Sie wiederholen sich in 29| Tagen.
Von Neumond bis Vollmond ist zunehmender, von da bis wieder zum Neumond
abnehmender Mond. Wie läßt sich an der Sichelgestalt erkennen, ob zu- oder
abnehmmder Mond ist?
§ 6. Tie (scheinbare) Bewegung des Sternenhimmels. Das Himmelsgewölbe
erscheint seit den ältesten Zeiten als Träger der Gestirne. Gruppen von Sternen
werden zu Sterabüdem vereinigt, und um sie aufzufinden, bedient man sich einer