46 Zweiter Zeitr. Vom Beginn der Perserkriege bis zum Peloponnefischen Kriege.
a) Die Bau- und Bildhauerkunst der Griechen. Auf die künstlerische
Gestaltung der öffentlichen Gebäude, insbesondere der Tempel, legten die
Griechen den allergrößten Wert. Jeder Tempel war im wesentlichen ein
Säulenhaus, das auf einem Unterbau ruhte, zu dem mehrere Stufen
hinaufführten. Das Gebäude selbst hatte in der Regel die Gestalt eines
Rechtecks; doch gab es auch Rundbauten. Säulen an der Vorder- und
Hinterseite oder auf allen vier Seiten trugen das steinerne Gebälk. An
den Schmalseiten trug der Hauptbalken einen niedrigen dreieckigen Giebel,
der meist mit kunstvollem Bildwerke versehen war. Wie der Giebel, so
war auch das Dach wenig aufsteigend. Es enthielt wahrscheinlich 'eine
Öffnung, durch die das Tageslicht in das Tempelhaus einfiel; denn die
Mauern dieses Gebäudes waren ohne Fenster. Häufig hatte das eigentliche
Heiligtum noch einen Vorraum und ein Hintergebäude. In dem letzteren
wurden die Weihegeschenke, die man dem Tempelgotte dargebracht hatte, auf¬
bewahrt. Im größeren Mittelraum (der Cella = Zelle) standen das Götter¬
bild und ein Opferaltar. Durch mehrere Säulenreihen im Innern wurde
die Cella in Raumabteilungen (Schiffe) geschieden.
Bestimmend für die Eigenart des Bauwerkes waren die Säulen.
Während diese bei christlichen Kirchen nur das Innere schmücken, erhielt
der griechische Tempel hauptsächlich durch die außen stehenden Säulen sein
Gepräge. Es gab drei Säulenordnungen: die dorische, die ionische
und die korinthische. An jeder Säule unterschied man drei Teile: die
Basis (Fuß), den Schaft (Stamm) und das Kapitäl (Kopf oder
Knauf). Die dorische Säule ist kurz und gedrungen. Der Schaft er¬
weitert sich noch unten stark und steht ohne Basis auf dem Unterbau.
Zahlreiche Furchen mit scharfen Stegen (Kannelierungen) streben nach oben.
Ein kissenartiges Kapitäl, durch die Last des Gebälkes scheinbar zusammen¬
gepreßt, trägt eine einfache viereckige Platte, aus welcher der Hauptstein¬
balken (Architräv) ruht. Die jonische Säule steht auf einer Basis; ihr
Schaft ist schlanker und verjüngt sich nur wenig. Das Kapitäl weist
reiche Verzierungen auf. Neben dem sog. Eierstab sind vier Schnecken¬
windungen (Voluten) an den vier Ecken bezeichnend. Wie starkgekrümmte
Widderhörner quellen diese Formen hervor. Noch anmutiger als die
ionische Säule ist die korinthische. Hier tragt der schlanke Schaft
einen reichverzierten Blumenkelch mit leicht gebogenen Akanthusblättern,
Ranken und Bluten. — Auch das Steingebälk, das auf den Säulen
ruht, ist je nach dem Baustil verschieden. Das Dach ist von allerlei
Statuen, Urnen u. dgl., die wohlgeordnet in bestimmten Zwischenräumen
stehen, umsäumt. Im Perikleischen Zeitalter war der dorische Baustil vor¬
herrschend.