111
auf das Landgut und in die Scheuern eines Edelmannes, der v o n S p l i t hieß,
und befahl ihnen, dort Hafer und anderes Getreide zu dreschen und ihm das
Korn nach der Burg zu bringen. Der beleidigte Edelmann ward darüber
äußerst aufgebracht und wollte diesen eigenmächtigen Eingriff in sein Eigen¬
thum nicht ungestraft lassen. Er ließ die Drescher greifen und ihnen die
Füße abhauen und schickte die unglücklichen Leute so verstümmelt auf einem
Karren nach Segeberg. Von ähnlichen Gewaltthaten hatte die Familie der
Herren von Neventlow zu leiden. Niemand empfand solche Nechtskränkungen
bitterer als Hartwig Reventlow, der Freund des Grafen Gerhard. Als
einer der vornehmsten seiner Familie übernahm er es, den Uebermuth des
Grafen zu strafen. Er wandte sich daher an seinen Schützling, den Grafen
Gerhard, der ebenfalls mit Adolf in gespannten Verhältnissen lebte, und
Gerhard bot ihm zu seinen Vorhaben gern die Hand. Die Absicht war, den
Grafen Adolf inll Schlaf zu überfallen und gefangen wegzuführen.
Hartwig kannte einen geheimen Fußpfad, der auf den Schloßberg führte.
In einer Sommernacht (1315) erstieg er mit geringer Mannschaft auf die¬
sem Wege die felsige Höhe und demnächst die Mauer des Schlosses. Alles
war still. Hartwig Reventlow konnte unvermerkt in das Schlafzimmer des
Grafen gelangen. Der Graf erwachte und griff nach feinem Degen. Jetzt
entspann sich zwischen ihm und Hartwig ein Gefecht. Der Graf ward ge-
tödtet. Das Klirren der Schwerter rief den Pagen des Grafen, Hartwigs
eigenen Sohn, der als Junker in Adolfs Diensten stand, herbei. Weil der
Vater fürchtete, daß nun sein Sohn in den Verdacht kommen würde, seinen
Herrn verrathen zu haben, hatte er die unnatürliche Härte, sein eignes Kind
zu tödten. Das eroberte Schloß ward dem Grafen Gerhard dem Großen,
der gleich zur Hand war, eingeräumt.
Adolfs Vater, Johann II., hielt sich um die Zeit eben in Bramstedt auf
und wurde hier auf Gerhards Veraulasfung von seinen eignen Vasallen über¬
fallen und gefangen genommen. , Er hatte übrigens das Glück, den Händen
seiner Feinde nach kurzer Zeit zu entkommen, und floh nach Lübeck, von wo
ihn seine treuen Kieler Bürger abholen ließen. Seine Länder aber, die er
seinen verstorbenen Söhnen zur Verwaltung übergeben hatte, theilten Ger¬
hard der Große und Johann der Milde, Gerhards II. Sohn.
Noch hörten die Unfälle nicht auf, den kinderlosen Grafen zu verfolgen.
Als er einst zu Kiel an der Tafel saß, hatten die jungen Hofleute ihren
Scherz mit dem Hofnarren. Als einer der Junker es zu arg machte, warf
der Narr einen Knochen nach ihm. Der Knochen verfehlte seines Ziels und
traf stattdessen denGrafen ins Auge. Das Auge ging verloren, und Johann II.
hieß nun zur Unterscheidung von den gleichnamigen Vettern der Einäugige.
Als endlich der kummervolle Mann seinen Söhnen ins Grab gefolgt war,
fiel auch Kiel an die ländergierigen Vetter.
Die schweren Unbilden Gerhards des Großen an den wagrischen Vettern
zu rächen und namentlich die Ermordung Adolfs VI. zu strafen, griff jetzt
Adolf von Schauenburg in Gemeinschaft mit Graf Günzel von Wit¬
tenberg, einem Schwestersohn des Ermordeten, zu den Waffen. Auch die
Dithmarscher und selbst Johann der Milde wollten dazu helfen.
Gerhard der Große sah ein, daß er die Vereinigung seiner vier Gegner
verhindern müsse, wenn er im Kampf mit ihnen nicht unterliegen wollte.