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läge. Die nördliche Armee unter Faidherbe (ai = ä) wurde von den
Generalen Mantenffel und Göben zuletzt bei St. Quentin (spr.
Kangtäng) geschlagen. Die Armee Bourbaki's, welche bei Belfort
in Deutschland einfallen sollte, wurde durch die unvergleichliche Tapfer¬
keit der Werder'scheu Armee in einer 3 tägigen Schlacht zurückgeworfen
und auf Schweizergebiet gedrängt, wo 80,000 Franzosen, von Hunger,
Kälte und Strapazen erschöpft, die Waffen niederlegen mussten.
g. Der Friede. Am 18. Januar 1871 wurde in Versailles,
(spr. Werßaj), wo so viele Pläne zu Deutschlands Verderben geschmiedet
worden, Wilhelm I. auf Antrag des Königs Ludwig von Bayern
von den deutschen Fürsten zum deutschen Kaiser ausgerufen. Damit
war das Sehnen und Drängen des deutschen Volkes, der Traum der
Jünglinge uud der letzte Wunsch der Greise endlich erfüllt. Der neue
Kaiser gelobte „ein Mehrer des Reiches zu sein, nicht in kriegerischen
Eroberungen, sondern in den Werken des Friedens." In ergreifender
Ansprache ward dem deutschen Volke die große Botschaft kundgethan.
Am 28. Januar ergab sich endlich auch Paris, nachdem alle Ausfälle
nutzlos gewesen, der Hunger immer grimmiger, der Belagerungsgürtel
immer enger und die Sprache der Kanonen immer verständlicher ge¬
worden war. Die starken Forts rings um die Stadt mussten den
Deutschen übergeben und ihnen einige Thore zum Siegeseinzuge durch
die Stadt geöffnet werden. Im Frieden zu Frankfurt kamen Elsass
und Lothringen als Reichsland zu Deutschland, und Frankreich musste
5 Milliarden Franks (= 3,999 Millionen Mark) Kriegskosten bezahlen.
Bis zur Bezahlung dieser ungeheuern Summe, die übrigens unglaublich
rasch erfolgte, blieb ein Theil Frankreichs von den deutschen Soldaten
besetzt. — Der „Krieg ohne Gleichen" hatte Deutschland geeinigt,
„Kaiser und Reich" erneuert, „Elsass und Lothringen" nach langer
Schmach wieder eingefordert, 20 siegreiche Schlachten geschlagen, 26
Festungen erobert, 400,000 Kriegsgefangene gemacht und über 6,700
Geschütze erbeutet. Das vermag deutsche Kraft, wenn sie einig ist, und
deutsche Begeisterung, wenn sie ein würdiges Ziel hat.
5. Die Gegenwart. Das geeinte Deutschland ist au die Spitze
Europa's getreten; Ruhm umglänzt seine Waffen; frisches Leben regt
sich aus allen Gebieten; immer weiter schreitet die Einigung durch die
Gesetzgebung des Reichstages fort. Doch Ruhm und Macht dürfen
nicht stolz und sicher machen. Unsere Pflicht ist's, durch Wachsamkeit,
Hingabe an das Vaterland, Gehorsam gegen feine Gesetze, Fleiß und
fromme Sitte den Bestand des neuen deutschen Reiches sichern zu helfen.
Gott schütze und segne Deutschland!