— 79 —
seines Todestages (21. Januar 1793) dämmerte, hatte er mit großer
Freudigkeit das heilige Abendmahl genossen. Um 9 Uhr kam die
Wache, ihn abzuholen. Noch einmal warf er sich betend auf die
Kniee. Als er über den Hof ging, wandte er sich mit thränenden
Augen oft nach dem Thurme, als wollte er Allem, was er noch Theueres
auf dieser Welt hatte, Lebewohl sagen. In einem Miethwagen wurde
er nun nach dem Richtplatze gebracht. Alle Straßen waren mit
Nationalgarde besetzt. Standhaft betrat Ludwig das Blutgerüst,
welches von einer unabsehbaren Menschenmenge umgeben war. Es
herrschte Todtenstille. Schon gebunden, sprach er zu dem Volke:
„Franzosen! ich sterbe unschuldig, das bezeuge ich vor Gott. Ich
vergebe meinen Feinden; möge mein Blut nicht auf Frankreich zurück¬
fallen!" Plötzlich aber wurde er von Trommeln unterbrochen, von
den Henkern ergriffen und unter das Mordbeil geschleppt, welches
dem Leben des unglücklichen Königs ein Ende machte. So war von
Frankreich ein Verbrechen begangen, für welches es alle die bisherigen
Drangsale nur als eine gerechte Strafe Gottes anzusehen hat. Die
Königin durfte mit der Schwester ihres Gatten und ihren Kindern
zusammenbleiben, bis ihr endlich auch der Prinz (Dauphin) zu ihrem
größten Schmerze entrissen und in ein besonderes Gefängniß gebracht wurde.
Auch die Königin wurde bald darauf hingerichtet (16. October
1793). Es war ein herzzerreißender Anblick. In zerrissener Klei¬
dung und mit von Kummer gebleichtem Haare sah man die Königin,
erst 37 Jahre alt, mit gebundenen Händen auf einem Karren nach
dem Richtplatze schleppen, wo sie den Mörderhänden unterlag. Gleiches
Schicksal traf auch die Schwester des Königs.
Am traurigsten ging es dem kleinen Prinzen. Er wurde einem
der rohesten Menschen, dem Schuhmacher Simon, Übergeben, der ihn
auf unglaubliche Weise mißhandelte. Oft trat er ihn mit Füßen, ließ
ihn des Nachts nicht schlafen und zwang ihn, selbst die entsetzlichsten
Flüche gegen Gott auszusprechen. Endlich unterlag der arme Knabe
diesen ^Martern und starb 1795, erst 10 Jahre alt. Glücklicher war
feine Schwester, welche in demselben Jahre gegen einige französische
Gefangene an Oesterreich ausgeliefert wurde und erst 1852 ge¬
storben ist.
§. 53. Die Schreckensherrschaft in Frankreich.
Nach der Hinrichtung Ludwigs schloß England mit fast allen
europäischen Mächten die erste Coa lition (Bitndniß) gegen Frank¬
reich, so daß letzteres nach allen Seiten hin Heere entsenden mußte,
um sich seiner zahlreichen Feinde zu erwehren. Auch in der Vendse
(Wangte), einer Provinz, welche von jeher mit großer Liebe dem
Könige zugethan war, brach ein Bürgerkrieg aus, und ebenso erklärten
Lyon, Marseille und Toulon laut ihren Abscheu vor den Gräueln der
Revolution. Dessenungeachtet wütheten die Revolntionsmänner fort
und beabsichtigten sogar den Herzog von Orleans zum Dictator zu