Full text: [Neuere Geschichte] (Theil 3)

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Vordringen und dem großen Heere Til ly's die Spitze bieten konnte. 
Er forderte zunächst den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, 
seinen Schwager, auf, ihm den Durchzug durch seine Länder zu gestatten 
und zwei Festungen für seine Truppen einzuräumen. Allein der Kurfürst 
hatte nicht den Muth, einen entscheidenden Entschluß zu fassen. Die Bitte 
wurde abgelehnt; dessenungeachtet rückte Gustav Adolf in's Branden- 
burgische ein. Als ihm jetzt der Kurfürst nothgedrungen entgegenkam, 
machte er ihm bittere Vorwürfe, doch die edle Kurfürstin und die Mutter 
des geächteten Pfalzgrafen Friedrich suchten ihn mit sanfter Rede zu 
beschwichtigen. Da sprach der edle König: „Meine Reise geht über die 
Elbe, um die bedrängten Magdeburger zu entsetzen, und das nicht mir, 
sondern den Evangelischen zum Besten. Will mir Niemand beistehen, so 
kehre ich nach Stockholm zurück, doch am jüngsten Gerichte werdet Ihr 
Protestanten Rechenschaft geben, daß Ihr um des Evangelii willen nichts 
habt thun wollen." Nach langem Zaudern fügte sich endlich der Kurfürst. 
Gleich darauf eilte Gustav der Elbe zu, doch bei Wittenberg wurde ihm 
vom Kurfürsten Georg von Sachsen abermals der Durchmarsch verwei¬ 
gert. Als der König nach langen Verhandlungen seinen Einzug hielt, 
sprach er zu den ihm entgegenkommenden Wittenberger Studenten: „Ihr 
Herren, von Euch ist aus diesem Orte das Licht des Evangeliums zu uns 
gekommen; weil es aber durch die Feinde bei Euch will verdunkelt wer¬ 
den, müssen wir zu Euch kommen, um dasselbige Licht, nächst Gott, wieder 
anzuzünden." Zu derselben Zeit lief die Nachricht ein, daß Magdeburg 
gefallen sei. 
Die Stadt hatte sich unter dem Befehle des Herzogs Christian 
von Brandenburg und des schwedischen Obersten von Falkenberg, wie 
einst Stralsund, mit bewundernswürdiger Tapferkeit vertheidigt; ängst¬ 
lich harrte die Besatzung auf das Erscheinen des Königs von Schweden, 
durch bestäudige Stürme schou bis zum Aeußersteu gebracht. Am 19. 
Mai ließ Tilly plötzlich die Kanonen schweigen und sogar einen Theil 
derselben wegführen. Die Belagerten glaubten, Gustav Adolf müßte 
nahe sein und das kaiserliche Heer ihm entgegenrücken. Dank und Hoff¬ 
nung erfüllte die gedrückten Gemüther. Aber diese Ruhe war eine trüge¬ 
rische. Den folgenden Morgen begann der entscheidende Sturm an fünf 
Orten zugleich. Die Bürger und Soldaten, welche nach so vielen Nacht¬ 
wachen ermattet und schlaftrunken auf die Wälle eilten, wurden geworfen, 
der tapfere Falkenberg von einer Kugel durchbohrt. Mit dem Muthe 
der Verzweiflung vertheidigten sich die Bürger, an ihrer Spitze der Herzog 
Christian. Weiber und Kinder warfen Ziegel von den Dächern auf 
die Feinde herab, Jeder that sein Aeußerstes. Doch aller Widerstand war 
vergeblich, und als der Herzog vom Pferde gerissen und als Gefangener 
hinweggeführt wurde, entsank Allen der Muth. Das in verschiedenen 
Theilen der Stadt ausgebrochene Feuer vermehrte die Noth und Verzweif¬ 
lung der unglücklichen Bewohner. Von allen Seiten drangen die Feinde
	        
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