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"Tag und Nacht leben sie auf ihnen. Dort kaufen und verkaufen
sie, dort essen und trinken, dort schlafen und träumen sie, indem
sie sich vornüber auf den Hals des Rosses beugen. Selbst bei
Versammlungen uud Beratungen steigen sie nicht ab.
c. Von strenger Königsgewalt werden sie nicht gebunden; in
wildem Durcheinander, einen der Häuptlinge voran, stürzen sie
auf alles, was ihnen entgegentritt. Meist beginnen sie den An¬
griff, selten erwarten sie ihn; aber immer erheben die Haufen beim
Zusammenstoß ein furchtbares Schlachtgefchrei. Sie sind von
außerordentlicher Gewandtheit und Schnelligkeit, zerstreuen sich
plötzlich im Kampfe und jagen zurück, um sich zu einem neuen
Ansturme zu sammeln. Eine Verschanzung greifen sie nicht an,
ein festes Lager plündern sie nicht; zum Belagern fehlt ihnen alle
Ausdauer. Nichts aber gleicht der Gewandtheit, mit der sie im
Kampfe aus der Ferne den Pfeil, der zwar nur in einem spitzen
Knochen ausläuft, aber mit großer Geschicklichkeit gearbeitet ist,
abzuschießen. Im Handgemenge gebrauchen sie das Schwert mit
rücksichtsloser Verwegenheit. Während der Feind sich gegen ihre
Schwerthiebe wehrt, wissen sie ihm mit der linken Hand eine
Fangleine überzuwerfen, um ihn zu verstricken und wehrlos zu
machen.
d. Niemand bestellt bei ihnen den Acker, niemand berührt
Len Pflug. Ohne feste Wohnsitze, ohne Obdach, ohne Gesetz und
Utecht schweifen sie mit ihren Karren, die mit Fellen überzogen
sind, umher. Die Karren sind die Wohnungen ihrer schmutzigen
Weiber; dort weben die Weiber die groben Kleider, dort ziehen
sie die Kinder auf, bis sie erwachsen sind. Keiner kann sagen,
wo er geboren ist.
6. Treulos und unbeständig sind die Hunnen auch während
-eines Waffenstillstandes. Voll Lüge und Tücke sind sie und ohne
alle Religion. An einen Vertrag fühlen sie sich nicht gebunden;
unersättliche Goldgier beherrscht sie allein. Das ist das Wesen
dieses behenden, wilden Menschenschlages.
1. Der Beginn der großen Völkerwanderung. Zur Urzeit
war fast immer irgend eine deutsche Völkerschaft mit Weib und
Kind und aller Habe auf der Fahrt. Durch die Römer wurden
sie jedoch gezwungen, immer mehr seßhaft zu werden, sodaß die
Wanderungen fast aufhörten. Da geschah es, daß ums Jahr 375
n. Chr. aus Osten, vom fernen Asien her, die H im neu, ein
wildes, häßliches Reitervolk, in Europa uud unser Vaterland ein¬
drangen. Sie stießen zuerst ans die Ostgoten. Diese wurden
besiegt und mußten dem wilden Hunnenschwarm folgen. Dann
zogen sie weiter nach Westen und trafen auf die christlichen West¬
goten. Diese entwichen nach Süden über die Douau und fanden
Aufnahme im Reiche der Römer. Deutsche Volksstämme wurden