Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

Widerlegung aller Vorwürfe. Vergebliche Bemühungen der päpstlichen Legaten. 
aber, der durchaus nicht gesonnen war, sich auf ernste Unterhandlungen einzulassen und nach¬ 
zugeben, vermied nach dem ersten Besuche, den ihm die Lateiner abgestattet hatten, jed-s Zu¬ 
sammentreffen und jede Unterredung mit denselben, „da er wußte, daß sie tu ihrem Glauben 
unverbesserlich seien, und glaubte, es sei unwürdig und dem Herkommen zuwider, mit jenen 
über solche Dinge ohne die andern Patriarchen zu verhandeln." So sah sich Hnmbert ver¬ 
anlaßt, schriftlich gegen ihn aufzutreten. In Form eines Dialogs zwischen einem Römer 
und einem Konstantinopolitaner verfaßte er eine ausführliche Widerlegung aller einzelnen 
Punkte, die Michael Cärularius oder eigentlich Leo von Achrida in dem Briefe an den 
Bischof Johann von Trani der lateinischen Kirche zum Vorwurf gemacht hatte. Diese Schrift, 
ebenso ausgezeichnet durch tiefen Ernst und sorgfältige Benützung der Bibel als kraftvoll 
durch die freie Sprache eines von der Wahrheit seines Glaubens und der Rechtlichkeit seines 
Strebens durchdrungenen Herzens, erschöpft ihren Gegenstand völlig und muß als das wich¬ 
tigste Aktenstück des ganzen Streites gelten. 
Zu derselben Zeit, als Leo von Achrida seinen Brief nach Italien schickte, verfaßte 
Niketas, ein Mönch des berühmten Kloster Studion zu Konstantinopel, ein heftiges Schrift¬ 
stück gegen die lateinische Kirche; er fügt zn den bereits erhobenen Borwürfen noch hinzu, 
daß die Römer gegen das Gesetz den Priestern die Ehe verbieten. Kardinal Hnmbert ant¬ 
wortete mit einer gründlichen Widerlegung, iu welcher er sich besonders über" den neu er¬ 
hobenen Vorwurf weitläufig verbreitete und zeigte, daß die römische Kirche und der Aposto- 
lische Stuhl immer in der ganzen Welt in, strahlendem Glanze dastand und, auf Felsen- 
gründ aufgebaut, durch keine Häresie zum Wanken gebracht worden sei; Laien habe sie 
nie die Ehe verboten, wohl aber sei dieselbe den Dienern des heiligen Altars und deu 
Mönchen, die sich zur apostolischen Vollkommenheit bekannt hätten, von den Zeiten der 
Apostel her unterlagt gewesen. 
Auf des Kaisers Befehl widerrief Niketas seine Schrift und sprach über alle diejenigen 
ba§ Anathem aus, welche die römische Kirche nicht als die erste aller Kirchen anerkennen 
wollten; zur vollsten Genugtuung der römischen Gesandten verbrannte er seine Schrift vor 
deren Augen; am folgenden Tage suchte er sie von freien Stücken auf und verdammte 
noch einmal fein Beginnen; sie begrüßten ihn als Freund. Alles, was die Gesandten gegen 
die Häresie gesprochen und geschrieben hatten, ließ der Kaiser ins Griechische übersetzen und 
aufbewahren. 
Gänzlich erfolglos blieben hingegen die Bemühungen der päpstlichen Gesandten dem 
häretischen Starrsinn des Patriarchen Michael gegenüber. Da sich derselbe auf keinerlei 
Unterhandlungen einließ, begaben sie sich am 16. Juli 1054, einem Samstage, in die Sophien- 
ftiche und legten, in Gegenwart des versammelten Klerus und Volkes eine Exkommunikations¬ 
schrift aus den Hauptaltar. Hierauf schüttelten sie den Staub von den Füßen und entfernten 
sich ans der Kirche. Die Urkunde der Exkommunikation faßt noch einmal alle häretischen 
Punkte in Kürze zusammen und schließt dann mit den Worten: „Michael, ein Neophyt, 
nnbilligerweise Patriarch genannt, nahm nur ans Furcht vor den Menschen das Mönchs- 
gewand, jetzt aber hat er sich durch die schändlichsten Laster befleckt; diesen nebst Leo von 
Achrida, Bischof genannt, und Konstantin, Michaels Schatzmeister, der das Opfer der Lateiner 
mit gottlosen Füßen zertrat, und alle Anhänger derselben in den genannten Irrtümern be¬ 
legen wir gleich den Stmontanern, Valentinianern, Arianern, Donatisten, Nikolaiten, Seve- 
lianern, Pneumatomachen, Manichäern und Nazarenern mit dem Banne mit dem Teufel und 
feinen Engeln, wenn sie sich nicht bekehren. Anten, Amen, Amen." 
Eine andere Exkommunikation wurde in Gegenwart des Kaisers und der Großen des
	        
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