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Wirksamkeit des Heiligen. Abälard. Arnold von Brescia.
Tränen und Gebete, bis endlich der Herzog sein Herz der Gnade öffnete und der Spaltung
entsagte. Allein da er die vertriebenen Bifchöfe doch nicht in ihre Sprengel zurückkehren
lassen wollte, bestieg der Heilige den Altar, um das hochheilige Opfer darzubringen, während
der Herzog und seine Anhänger, weil mit dem Banne belegt, vor der Kirchtüre blieben.
Als nach der Wandlung der Friedenskuß gegeben war, nahm der Heilige, vom Geiste Gottes
angetrieben, die heilige Hostie, trat vor die Kirchtüre und sprach nicht mehr mit flehender,
sondern mit mächtig drohender Stimme zum Herzog: „Bisher haben wir Bitten angewandt
und du hast sie verworfen. Mehrere Diener Gottes haben mit uns zu dir gefleht und du
hast nicht darauf geachtet. Siehe, nun kommt der Sohn Gottes selbst, das unsichtbare Ober¬
haupt der Kirche, den du verfolgst, dein Richter, in dessen Namen alle Mächte im Himmel
und aus Erden die Knie beugen. Verachtest du auch diesen? Wirst du dich vermessen, ihn
ebenso wie deine Diener zn behandeln?" Der Herzog fiel, wie vom Donner getroffen, zur
Erde und konnte kein Wort mehr hervorbringen. Bernhard hob ihn auf und befahl ihm,
mit dem anwesenden Bischof von Poitiers sich auszusöhnen. Die Spaltung war gehoben
und der Herzog vollkommen umgewandelt.
Wie für die Einheit und Zucht der Kirche, so
eiferte Bernhard auch für die Einheit des Glau¬
bens. Er griff mutig alle Neuerer an, die zu feiner
Zeit auftraten, unter andern besonders Abälard,
welchem Bernhard vorwirft, daß er alles wissen wolle
im Himmel nnd auf Erden, daß er nichts glauben
wolle, was er nicht einsehe. Abälard verlangte Bern¬
hard auf einer Synode gegenübergestellt zu werden.
Dieselbe kam in Sens 1140 zusammen, viele Bischöfe,
auch König Ludwig VII. mit seinem Hose erschienen.
Bernhard klagte Abälard an, daß er die Irrlehre
des Arins, des Nestorius über die Trinität, des Pela-
gius in Bezug auf Gnade und Freiheit des Willens
erneuere. Man erwartete eine glänzende Verteidi¬
gung; aber Abälard schwieg und senkte sein Antlitz
vor dem Flammenblicke Bernhards. Arnold von
Breseia, Abälards Schüler, war Lektor der Kirche
zu Brescia und hatte zuerst in den lombardischen Städten die vielen willkommene Lehre gepre¬
digt, daß kein Geistlicher, der irgend ein Eigentum besitze, selig werden könne. Die Bischöfe, be¬
hauptete er, dürften keine Regalien, die Klöster keine Besitzungen haben; alles dies gehöre den
weltlichen Fürsten, die es nur zum Nießbrauch und nur an Laien verleihen dürsten. Dabei
pflegte er im Mönchsgewande aufzutreten und mit gewandter Rede die Sitten der Geistlichen
und Mönche scharf zu rügen, den Laien zu schmeicheln und sich eine wohlfeile Popularität
zu erwerben; denn die Lehre, daß jeder, der nach fremdem Gute gelüstete, Kirchen und
Geistliche mit dem Bewußtsein, ein gutes, dem Beraubten selbst ersprießliches Werk zu tun,
plündern dürfe, mußte vielseitigen Beifall finden. Innozenz II. hatte ihm auf der Laterauen-
ftschen Synode 1139 Schweigen auferlegt; er war über die Alpen nach Zürich entwichen
und hatte dort seine Grundsätze mit glücklichem Erfolg ausgebreitet. Unter seinem Emfluffe
wurden zu Rom von einem wilden, entfesselten Pöbel die ärgsten Gewalttaten und Räubereien
begangen. An den deutschen König Konrad erging eine Einladung „des Senats und Volkes
von Rom", er möge bei ihnen seinen kaiserlichen Sitz nehmen und von Rom ans, wo nun
Ludwig VII. von Frankreich.