316
Sein Tod.
gegen Dich selbst einen Streit erhebt, so glaube ihm nicht, bis daß Du den Grund der Sache
weißt: denn also werden Deine Räte unbefangener gemäß der Wahrheit für oder gegen Dich
entscheiden. So Du fremdes Gut inne hast, sei's durch Dich selbst, sei's durch Deine Vor¬
gänger, erstatte es, so sich die Sache als wahr erweiset, ohne Weilen zurück; ist aber die
Sache^ zweifelhaft, so laß sie schnell und ohne Verzug durch weise Männer untersuchen
Überdies sollst Du Dich bemühen, daß Deine Leute und Untertanen in Fried' nnd Gerech¬
tigkeit unter Dir leben mögen. Desgleichen sollst Du Dich bemühen, die guten Städte Deines
Königreiches bei den Gebräuchen und Freiheiten zu schützen, worin Deine Vorfahren sie er¬
halten haben; und so irgend ein Ding zu verbessern ist, richt' es anders und besser ein;
erhalte Dir ihr Wohlwollen und ihre Liebe, denn durch der großen Städte Kraft uud Reichtum
werden die Einheimischen und Fremden fürchten, sich an Dir zu vergreifen, vorzüglich Deine
Pairs und Barone. Ehr und lieb' alle Personen der heiligen Kirche und verhüte, daß man
ihnen nicht entziehen noch schmälern wolle, was an Gaben und Almosen Deine Vorfahren
ihnen verliehen haben. Man erzählt vom König Philipp, meinem Eltervater, es habe ihm
einst einer seiner Räte gesagt, daß ihm die Leute der heiligen Kirche vielfach Unrecht täten,
indem sie seine Gerechtsame aufhöben und seine Gerichtsbarkeit an sich zu ziehen strebten,'
und daß es groß Wunder sei, wie er's zugeben könne. Und der gute König antwortete, es
sei auch seine Meinung; allein er ziehe dabei in Erwägung die vielfache Güte und Huld, so
ihm Gott erwiesen; deshalb wolle er lieber etwas von seinen Rechten fahren lassen, denn
Hader haben mit den Leuten der heiligen Kirche. Deinem Vater und Deiner Mutter erweise
Ehre und Achtung und bewahre ihr Gebot. Die Ämter der heiligen Kirche gib guten Personen
und von reinem Wandel, und verleihe sie durch Biedermänner und untadelhafte Leute. Hüte
Dich, Krieg zu beginnen ohne große Not gegen irgend einen Christenmenschen; und so Du
genötigt bist, ^solches zu tun, so schone der heiligen Kirche uud derer, die nichts verbrochen
haben. Wenn sich Krieg oder Hader erhebt zwischen Deinen Untertanen, so versöhne sie,
sobald Du's vermagst. Bestrebe Dich, gute Landrichter und gute Amtleute zu haben, und
ziehe oft Kundschaft ein über sie und die ihres Hauses, wie sie sich gebaren, und ob sich
ettoa au ihnen ein Übermaß von Begehrlichkeit zeigt oder Falschheit und Trug. Bemühe
Dich, daß alle abscheulichen Sünden ans Deinem Gebiete gebannt seien, vorzüglich abscheuliche
Schwüre, und laß ausreuten nach Deinem Vermögen alle Ketzerei. Hab' acht, daß Deines
Hauses Aufwand vernünftig sei. Und endlich, sehr süßer Sohn, laß Messen singen für
meine Seele und Gebete tun in Deinem ganzen Reiche und wende mir zu ein absonderlich
und vollkommen Teil an allem Guten, so Du tust. Schöner, lieber Sohn, ich gebe Dir
allen Segen, den ein guter Vater seinem Sohne geben kann, und die hochgelobte Dreifaltig¬
keit und alle Heiligen mögen Dich bewahren und beschützen vor allen Übeln und Gott ge¬
währe Dir die Gnade, seinen Willen stets zu tun, so daß er geehrt sei durch Dich, und daß
Du und Wir nach diesem sterblichen Leben vereint sein mögen mit ihm und ihn loben ohne
Ende. Amen."
„Als der gute König also seinen Sohn, Herrn Philipp, unterwiesen hatte, da begann
die Krankheit, so er hatte, immer heftiger zu werden; er verlangte die Sakramente der heiligen
Kirche und empfing sie gesunden Sinnes und richtigen Verstandes, sowie sich das imzwev
deutig zeigte; denn als man ihm die heilige Ölung gab und die sieben Bußpsalmen Betete,
beantwortete er wechselweise die Verse. Und sowie ich den Herrn Grafen von Alengon,
seinen Sohn, erzählen hörte, rief er, als er sich dem Tode näherte, die Heiligen an um
Schutz und Beistand, absonderlich Herrn Sankt Jakob, indem er fein Gebet hersagte, das da
beginnt: »Esto domine,« was besagen will: „Gott, heilige und beschütze unser Volk" . . .