Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

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Sein Tod. 
gegen Dich selbst einen Streit erhebt, so glaube ihm nicht, bis daß Du den Grund der Sache 
weißt: denn also werden Deine Räte unbefangener gemäß der Wahrheit für oder gegen Dich 
entscheiden. So Du fremdes Gut inne hast, sei's durch Dich selbst, sei's durch Deine Vor¬ 
gänger, erstatte es, so sich die Sache als wahr erweiset, ohne Weilen zurück; ist aber die 
Sache^ zweifelhaft, so laß sie schnell und ohne Verzug durch weise Männer untersuchen 
Überdies sollst Du Dich bemühen, daß Deine Leute und Untertanen in Fried' nnd Gerech¬ 
tigkeit unter Dir leben mögen. Desgleichen sollst Du Dich bemühen, die guten Städte Deines 
Königreiches bei den Gebräuchen und Freiheiten zu schützen, worin Deine Vorfahren sie er¬ 
halten haben; und so irgend ein Ding zu verbessern ist, richt' es anders und besser ein; 
erhalte Dir ihr Wohlwollen und ihre Liebe, denn durch der großen Städte Kraft uud Reichtum 
werden die Einheimischen und Fremden fürchten, sich an Dir zu vergreifen, vorzüglich Deine 
Pairs und Barone. Ehr und lieb' alle Personen der heiligen Kirche und verhüte, daß man 
ihnen nicht entziehen noch schmälern wolle, was an Gaben und Almosen Deine Vorfahren 
ihnen verliehen haben. Man erzählt vom König Philipp, meinem Eltervater, es habe ihm 
einst einer seiner Räte gesagt, daß ihm die Leute der heiligen Kirche vielfach Unrecht täten, 
indem sie seine Gerechtsame aufhöben und seine Gerichtsbarkeit an sich zu ziehen strebten,' 
und daß es groß Wunder sei, wie er's zugeben könne. Und der gute König antwortete, es 
sei auch seine Meinung; allein er ziehe dabei in Erwägung die vielfache Güte und Huld, so 
ihm Gott erwiesen; deshalb wolle er lieber etwas von seinen Rechten fahren lassen, denn 
Hader haben mit den Leuten der heiligen Kirche. Deinem Vater und Deiner Mutter erweise 
Ehre und Achtung und bewahre ihr Gebot. Die Ämter der heiligen Kirche gib guten Personen 
und von reinem Wandel, und verleihe sie durch Biedermänner und untadelhafte Leute. Hüte 
Dich, Krieg zu beginnen ohne große Not gegen irgend einen Christenmenschen; und so Du 
genötigt bist, ^solches zu tun, so schone der heiligen Kirche uud derer, die nichts verbrochen 
haben. Wenn sich Krieg oder Hader erhebt zwischen Deinen Untertanen, so versöhne sie, 
sobald Du's vermagst. Bestrebe Dich, gute Landrichter und gute Amtleute zu haben, und 
ziehe oft Kundschaft ein über sie und die ihres Hauses, wie sie sich gebaren, und ob sich 
ettoa au ihnen ein Übermaß von Begehrlichkeit zeigt oder Falschheit und Trug. Bemühe 
Dich, daß alle abscheulichen Sünden ans Deinem Gebiete gebannt seien, vorzüglich abscheuliche 
Schwüre, und laß ausreuten nach Deinem Vermögen alle Ketzerei. Hab' acht, daß Deines 
Hauses Aufwand vernünftig sei. Und endlich, sehr süßer Sohn, laß Messen singen für 
meine Seele und Gebete tun in Deinem ganzen Reiche und wende mir zu ein absonderlich 
und vollkommen Teil an allem Guten, so Du tust. Schöner, lieber Sohn, ich gebe Dir 
allen Segen, den ein guter Vater seinem Sohne geben kann, und die hochgelobte Dreifaltig¬ 
keit und alle Heiligen mögen Dich bewahren und beschützen vor allen Übeln und Gott ge¬ 
währe Dir die Gnade, seinen Willen stets zu tun, so daß er geehrt sei durch Dich, und daß 
Du und Wir nach diesem sterblichen Leben vereint sein mögen mit ihm und ihn loben ohne 
Ende. Amen." 
„Als der gute König also seinen Sohn, Herrn Philipp, unterwiesen hatte, da begann 
die Krankheit, so er hatte, immer heftiger zu werden; er verlangte die Sakramente der heiligen 
Kirche und empfing sie gesunden Sinnes und richtigen Verstandes, sowie sich das imzwev 
deutig zeigte; denn als man ihm die heilige Ölung gab und die sieben Bußpsalmen Betete, 
beantwortete er wechselweise die Verse. Und sowie ich den Herrn Grafen von Alengon, 
seinen Sohn, erzählen hörte, rief er, als er sich dem Tode näherte, die Heiligen an um 
Schutz und Beistand, absonderlich Herrn Sankt Jakob, indem er fein Gebet hersagte, das da 
beginnt: »Esto domine,« was besagen will: „Gott, heilige und beschütze unser Volk" . . .
	        
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