Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

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Dschingischan. Seine Eroberungen. 
ste wasserdicht zu machen, mit Schafmilch bestrichen wurden. Wohnung und Hausgerät stellte 
man bei Wanderungen auf zweiräderige Wagen und fuhr sie von einem Orte zum andern. 
Sie Mongolen aßen Katzen, Hunde, Ratten, Mäuse und andere ekelhafte Substanzen, am liebsten 
Pferdefleisch; sie verschmähten als Getränke selbst schmutziges Wasser und Pferdeblut nicht, 
znm Wohlgeschmack aber bereiteten sie den berauschenden Kumys aus Stutenmilch. Brot war 
ihnen unbekannt und auch den Wein lernten sie erst in späterer Zeit schätzen. Ihre Waffen 
bestanden in Spießen, Schwertern und Keulen. Sie waren (selbst die Weiber nicht ausge¬ 
nommen) treffliche Bogenschützen. Beim Angriffe traten die Mongolen gern enge zusammen, 
um ihre überlegene Zahl zu verbergen; schien es nützlich, so schämten sie sich keiner Flucht' 
Pelze mannigfacher Art schützten gegen die Kälte, Harnische von gehärtetem Leder gegen feind¬ 
liche Waffen. Hunger und Durst, Hitze und Kälte vertrug dies Volk mit großer Gleich- 
gulttgfcit; fand sich aber die Gelegenheit, so aß und trank man desto unmäßiger. Es wechsel¬ 
ten beleidigender Stolz und knechtische Unterwürfigkeit, scheinbare Genügsamkeit und betrüge- 
racher Geiz. Jeder durfte so viel Weiber nehmen oder vielmehr kaufen, als er wollte, und 
diese lebten alle m Frieden oder, besser gesagt, in gleicher Knechtschaft. Man erzählt, daß 
die Mongolen an einen höchsten Gott glaubten; da sie aber nicht einmal den äußeren Gottes¬ 
dienst ausbildeten und in aller Sittlichkeit so weit zurückstanden, kann jener Glaube unmög¬ 
lich tief und fruchtbar gewesen sein. Sie opferten niederen Schutz- und Hausgöttern und 
verehrten Sonne, Mond und andere Naturgegenstände. Kein Mongole konnte schreiben oder 
lesen und ihre Sprache stand im natürlichen Verhältnisse zu diesem gänzlichen Mangel an 
Bildung. 
So waren Glaube, Sitten und Sprache der mit den alten Hunnen nahe verwandten 
Mongolen, welche sich für das auserwählte Volk Gottes und für bestimmt hielten, die Welt 
zu erobern und zu beherrschen. Und der furchtbare Dschingischan machte diesen Glauben 
zur entsetzlichen Wahrheit, indem er ein Reich gründete, größer als irgend eines ans Erden; 
aber selbst der Herrscher brachte es nie zu echt menschlicher Freiheit und seine Mongolen 
blieben Knechte, wie vorher. 
Dschingis (geboren 1155) erhielt den Namen Temudschin nach einem Chane, welchen 
sein Vater um die Zeit der Geburt des Knaben besiegt hatte. Der Anfang der Laufbahn 
temudschins war indes ungünstig. Nach seines Vaters Tode fielen manche Stämme ab und 
temudschin hatte jahrelang zu tun, um ihrer wieder Herr zu werden. 
Auf einem Kurultai, einer Versammlung aller Stammeshäupter in feiner Residenz Kam- 
foium, nahm er den ^ubelruf an: „SeiDschingischan (unerschütterlicher Chan) und regiere fortan 
als solcher glücklich und glorreich!" So entstand das Kaisertum der Mongolen 1206. 
Seitdem brachen dre Mongolen ans ihren wüsten Höhen den Flußtälern, Senkungen und 
Engpässen folgend nach allen Seiten in die tieferen, reichen Länder, namentlich in China ein, 
wo nach wechselndem Kriegsglücke Peking (im Jahre 1216) erobert und das Kaiserhaus der 
Ntuticheu gestürzt wurde. 
„ Sowie gegen Südosten nach China, drangen die Mongolen auch durch die südwestlichen 
Öffnungen ^ihres Hochlandes in die Staaten des Sultans Mohammed von Chowaresmien ein. 
Die ei]te Schlacht zwischen Mohammed und Dschingis wurde nur dadurch gegen jenen ent¬ 
scheidend, daß er in verkehrter Weise sein Heer auflöste und als Besatzung in die großen 
Städte verteilte; denn die Mongolen umlagerten uud eroberten nun eine nach der andern. 
Und was waren das für Eroberungen! Gott Lob! Die Geschichte kennt fast keine ihres¬ 
gleichen. — In Buchara, einem Hauptfitze mohammedanischer Gelehrsamkeit, machte mau 
Ställe aus den Büchersälen und vernichtete die Bücher, Dinge, welche keiner von den Siegern
	        
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