Die Religion.
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Kolonien im Westen. Infolge dieser Wanderfahrten und des Verkehrs
mit den Phöniziern wurden die Griechen mehr und mehr ein Volk von See-
fahrern. Sie wandten sich nun auch nach Westen und gründeten Kolonien
auf Sizilien (Syrakus) und in Unteritalien, das man auch Groß-
griechenland nannte (Neapel, Tarent). Auch Massilia (Marseille) in
Gallien war eine griechische Kolonie.
Einflüsse des Morgenlandes. Den Völkern des Morgenlandes hatten
die Griechen manches zu verdanken. Phönizische Schiffer, die von ihnen
Holz und Purpurschnecken holten, brachten ihnen dafür Webereien, Geräte
und Götterbilder und unterwiesen sie in ihren Handwerken, wie z. B. in
der Schiffbaukunst. Als die Griechen später selbst zu andern Völkern fuhren,
lernten sie in Ägypten Verbesserungen des Getreide- und Weinbaues kennen,
in Phönizien und Kleinasien die Baukunst, Münzen und Maße. Auch die
Buchstabenschrift nahmen sie von den Phöniziern an. Diese fremden Ein-
flüffe spiegeln sich in Sagen von alten Einwanderern wider.
Kekrops kam aus Ägypten nach Attika und gründete Athen, wo er der
erste König wurde und die Anfänge der Kultur verbreitete. — Danaus kam
aus Ägypten nach Argos. Seine fünfzig Töchter, die Danaiden, brachten ihre
Männer um. Zur Strafe mußten sie im Tartarus, dem Ort der Verdammnis,
unaufhörlich Waffer in ein durchlöchertes Faß schöpfen. — Kadmus kam aus
Phönizien nach Böotien, gründete die Burg Kadmea, in deren Schutz Thebeu
entstand, und lehrte die Buchstabenschrift.—Pelops kam aus Kleinasien nach
dem Pelopounes (Pelopsinsel). Sein Vater war der König Tautalus. Dieser
wollte einst die Allwissenheit der Götter prüfen und setzte ihnen seinen eigenen
Sohn als Speise vor. Im Tartarus wurde er dafür mit immerwährendem
Hunger und Durst geplagt. Er stand im Wasser, und über ihm hingen die
köstlichsten Früchte. Griff er danach, so wurden sie wie von unsichtbaren Händen
in die Höhe gezogen, daß er sie nicht erreichen konnte. Bückte er sich, um seinen
Durst zu löschen, so wich das Wasser plötzlich zurück. (Tantalusqualen.)
2. Die Religion.
Allgemeines. Die Griechen waren ein sehr religiöses Volk. Ihr eigenes
Leben glaubten sie von Göttern regiert, und in jeder Naturkraft und jeder
Naturerscheinung fahen sie das Wirken einer Gottheit. Göttliche Wesen er-
füllten die ganze Natur: Himmel und Erde, Meer und Unterwelt, Luft, Fluß
und Quelle, Gebirge und Täler, Bäume, Blumen und Steine. Man dachte sich
die Götter in menschlicher Gestalt mit menschlichen Eigenschaften, nicht
allein guten, sondern auch bösen. Neid, Haß, Eifersucht, Rachsucht, List,
Lug und Trug erfüllten zuweilen auch ihre Seele. Es hieß nicht wie bei
Jehova: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig." Sie hatten auch mensch-
liche Bedürfnisse: sie wachten und schliefen, aßen und tranken — aber
starben nicht.