Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

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Wunderbare Versöhnungen. 
Stolze Herzen, welche weder das Ansehen der Gesetze noch die Macht der Magistrate zu 
beugen vermocht hatte, erschlossen sich der milden Frömmigkeit, das Schwert suchte seine 
Scheide wieder und unter Tränen sanken Todfeinde einander in die Arme. Viele solcher 
Versöhnungen und wichtige Friedensschlüsse veranlaßten der heilige Franziskus von Assisi 
und sein Schüler, der heilige Antonius von Padua. Ihrem Beispiele folgend stiftete Ugoliuo, 
Kardinal von Ostia, Frieden zwischen Genua und Pisa (1217), andere Gottesmänner ver¬ 
söhnten Mailand und Piacenza, Tortona mit Alessandria usw. Bruder Bartholomäus von 
Vicenza gründete den militärischen Orden von St. Maria der Glorreichen, um in den italie¬ 
nischen Städten die Ruhe zu erhalten. Im Jahre 1266 versammelte der Schneider Bari- 
sello zu Parma unter dem Zeichen der Erlösung 500 Kreuzesbrüder, welche von Haus zu Haus 
gingen, um Welfen und Ghibellinen zu vermögen, sich miteinander zu versöhnen und dem Papste 
zu huldigen; die Bruderschaft erzielte so bedeutende Erfolge, daß sie eigene Magistrate und 
Gerichtsbarkeit erhielt und ihr eine Beteiligung an den Angelegenheiten der Kommune ein¬ 
geräumt wurde, auf welche sie ein halbes Jahrhundert einen wesentlichen Einfluß übte. Zu 
Mailand unterwarfen sich Edle und Bürger, die miteinander haderten, dem Ausspruch von 
vier Männern, die sie zu Schiedsrichtern gewählt, und als der Zwist aufs neue ausbrach, 
versammelten sich beide Parteien, um sich die Bedingungen einer gütlichen Übereinkunft vor¬ 
schreiben zu lassen. Im Veltlin und in ber Gegend von Como dämpfte mehrere öffentliche 
und Privatfehden Fra Venturino von Bergamo, der 10,000 Lombarden vermochte, als Pilger 
von Almosen lebend und unausgesetzt die Menschen um Frieden und Gott um Erbarmen 
anrnfend nach Rom zu wallen. Der Kardinal Nikolaus von Prato gab dem von den 
Weißen und Schwarzen zerrissenen Florenz den Frieden wieder. „Am 26. April 1304, 
während das Volk auf dem Platze vor der neuen Marienkirche versammelt war, im Beisein 
der Herren geschahen viele Aussöhnungen; man küßte sich zum Zeichen der Vergebung und 
schloß Friedensverträge. Wider jene, die sich dagegen verfehlten, wurden Strafen festgesetzt. 
Die Gherardini und Almieri gelobten, Ölzweige in den Händen, einander Frieden. Als im 
Verlaufe des Tages ein Regen fiel, achtete man in der Freude über die Versöhnung nicht 
daraus und niemand entfernte sich. Freudenfeuer wurden angezündet, die Kirchenglocken ge¬ 
läutet, ein allgemeiner Jubel herrschte." 
Von feinem dieser Friedensapostel werden glänzendere Erfolge berichtet als vom Pre¬ 
digermönche Johann von Vieenza. Vom Papste Gregor IX. au die zornmütigen kleinen 
Tyrannen gesandt, welche die Trevisaner Mark mit Blut überzogen, brachte er überall Ver¬ 
söhnungen zustande, die wahrhaft ans Wunderbare grenzten; das Volk, das ihn als einen 
Heiligen ehrte, zog ihm aus den Ortschaften mit wehenden Bannern entgegen und auf sein 
Wort wurden die Verbannten zurückgerufen und die Gefangenen freigelassen. Am 28. August 
1233 sollten sich auf sein Geheiß alle Bewohner der Mark in der Ebene von Paquara an 
der Etsch versammeln. Gehorsam seinem Ruse zog von allen Seiten dem Herrn lobsingend 
das Volk herbei und 15 Bischöfe sowie die Barone und Grafen der Mark hörten aufmerk¬ 
sam uud demütig die Predigt des Mönches an über den Text: „Meinen Frieden hinterlasse 
ich euch, meinen Frteben gebe ich euch." Nur bte wenigsten konnten bie Worte mit betn 
Ohre vernehmen; aber im Herzen fühlten sie alle unb biefe wilben Krieger schlugen zerknirscht 
an ihre Brust unb sanken einanber in bie Arme, verziehen sich gegenseitig unb gelobten sich 
bauernbe Freunbschaft. ilnjD als ber Gottesmann ausrief: „Gesegnet fei, wer btefen Frieben 
bewahret, verflucht aber, wer sein Gemüt wieber bem Haffe erschließt!" ba sprachen 100000 
Stimmen ben Segen unb Fluch nach. 
Aber, wer sollte es glauben, btefe Versöhnungen, von einer hochherzigen Begeisterung
	        
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