Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

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Der Sieg der Demokratie in den deutschen Städten. 
Führung des Rudolf Brun die Herrschaft der früher allein regierenden Patrizier gestürzt 
nnd diese teilweise in die Verbannung geschickt. Die Versuche derselben, sich wieder Aufnahme 
zu verschaffen, waren erfolglos geblieben, der Graf von Habsburg-Laufenburg, der ihnen 
Hilfe leistete, am 21. September 1337 im Kampfe erschlagen worden. 13 Jahre später 
verbanden sich die Patrizier mit Johanns gleichnamigem Sohne und überfielen in der 
Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1350 die Stadt Zürich. Allein die Bürger setzten sich 
rechtzeitig zur Wehr, schlugen den Angriff zurück, uahmeu den Grafen Johann und mehrere 
seiner Leute gefangen und eroberten seine Stadt Rapperschwyl, die sie nach einiger Zeit mit 
Verletzung der Übergabsbestimmungen vollständig zerstörten. Zürich schloß, um auswärtige 
Unterstützung zu erhalten, 1351 einen ewigen Bund mit den vier Waldstätten Uri, Schwyz, 
Unterwalden und Luzern. 
In der großen Reichsstadt Regensbnrg bemächtigte sich durch einen Bürgerzwist ein 
vornehmer Demagoge, Friedrich der Auer, der Gewalt. Er hielt sich eine Leibgarde uud 
Spione, gründete eine Schreckensherrschaft und erkaufte sich vom stets geldbedürftigen Kaiser 
Ludwig die Anerkennung. Wenn er zur Kirche ging, schritten 40 Mundmänner vor ihm her. 
Endlich jagten ihn die Bürger fort und es wurde bestimmt, daß binnen zehn Jahren kein 
Einheimischer wieder die höchste Würde bekleiden sollte. Man bestellte inzwischen einen frommen 
Ritter von auswärts zum Bürgermeister. Wir sehen hier, in Nürnberg und überhaupt 
in den großen Reichsstädten, namentlich am Rhein, wie die Reichshändel und die größeren 
Verhältnisse auf den innern Umschwung zurückwirken. Als die Geschlechter in Mainz, die 
in der Reichsgeschichte eine ehrenvolle Rolle spielen, von dem schwachen Kaiser Ludwig 
preisgegeben und mit Acht und Bann bedrängt wurden, kamen sie, um ihre Widerstandskraft 
zu stärken und ihre Verantwortung zu mindern, den Zünften mit dem Zugeständnis entgegen, 
den Rat mit ihnen zu teilen; sie nahmen erst 12, dann 22 zünftige Abgeordnete unter die 
24 patrizischen auf. Dennoch entstand bittere Zwietracht. Man entdeckte eine geheime Ver¬ 
bindung patrizischer Jünglinge, welche sich die „Ritter der gemeinen Wohlfahrt" nannten 
und geschworen hatten, mit Gut unb Blut der Vaterstadt aufzuhelfen; aber nach heftigen 
Zusammenstößen wurde die Geschlechterherrschaft gestürzt. Doch ließ man den Geschlechtern 
immer noch einen gleichen Anteil bei Besetzung des Rates und der Stellen. Das heilige 
Köln hat nach der lehrreichen, schmerzlichen Erfahrung, die es unter Konrad von Hochstraten 
und bessert Nachfolger machte, seine alten Geschlechter am längsten geehrt. In andern Städten 
wurde der durch die Thronkriege geschürte Kampf der Geschlechter, wie in Kolmar der 
Schwarzen und Roten, in Straß bürg der Zorne uud Mülnheine, ein Hebel der Umwälzung. 
Hier waren die Bürger endlich des ritterlichen Geschelles müde, setzten den Rat ab, zerstörten 
die adeligen Zechstuben und jagten beide Parteien zur Stadt hinaus. Besonders heiße 
Kämpfe hatte Speier zu bestehen. Hier hatten schon 1304 die Zünfte das Übergewicht im 
Rate, 13 Abgeordnete gegen elf patrizische erlangt; darauf suchten die Geschlechter den Rat 
durch ein Regiment von 16 Aristokraten zu umgehen. Jedoch die Zünfte verbanden sich durch 
Bundeseide und setzten einen neuen Rat ein, 16 von den Zünften, 15 von den Geschlechtern. 
Die Sechzehner unterwarfen sich scheinbar, gewannen aber den Kaiser Ludwig und bereiteten 
insgeheim mit dem benachbarten Adel den Staatsstreich und nächtlichen Überfall in der Nacht 
des 28. Oktober 1330 vor. Doch der Anschlag wurde verraten und fand die Zünfte auf 
Mauern und Türmen mächtig gerüstet. Dreihundert Jahre laug feierte mau den Tag. Am 
Vorabend des Festes ging der Ratsdiener durch die Stadt und rief: „Heut ist der Abend 
und morgen ist der Tag, da bie Stadt Speier verraten ward." Die Geschlechter wurden 
nun genötigt, sich als fünfzehnte Zunft der Gemeinde anzureihen.
	        
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