Neues Schreiben der Tübinger. Der Patriarch weist sie zurück. Vier Foliobände luther. Predigteu. 105
Der Patriarch empfing dasselbe mit Unwillen und beantwortete es in derber Weise.
Er wundert sich, daß die Protestanten einerseits die Bibel anerkennen, aber doch in der
Lehre vom Ausgang des heiligen Geistes sich auf die Tradition berufen, verteidigt wieder
die Lehre von der Freiheit des Willens und ist erstaunt, daß die Tübinger Theologen sein
wollen und doch die Sakramente nicht anerkennen, daß sie betreffs der Heiligenverehrung
weiser sein wollen als die durch Wunder berühmten ehrwürdigen Väter und klüger als die
Kirchen von Alt- und Neu-Rom zusammen, während sie doch unter sich selber nicht einig,
sondern in zahllose Parteien gespalten seien. Endlich stellt er die Bitte, sie möchten ihn
künftig mit ihrer theologischen Korrespondenz nicht mehr „belästigen".
Trotz dieser direkten Abweisung folgte schon im Dezember desselben Jahres ein neues
Schreiben von Tübingen, das die Unterschrift von nicht weniger als elf hervorragenden
Namen trug. Darin wird wiederholt, daß der Geist auch vom Sohne ausgehe, daß der
Mensch unfähig zum Guten sei, daß es nur zwei Sakramente gebe, daß die Heiligen nicht
angerufen und verehrt werden dürfen, daß Die spezielle Beichte nicht verlangt werden könne
und das Mönchtum andern Lebensweisen nachzusetzen sei; die vielen Spaltungen gereichten
ihnen nicht zur Uuehre, sie seien keine Häretiker u. dgl. und es werde die Zeit noch kommen,
wo die Griechen ihre Schreiben würdigen und gehörig schätzen würden.
Darauf gab der Patriarch gar keine Antwort mehr, Crufius aber, noch nicht er¬
müdet, suchte nun aus die Masse der Griechen durch vier Foliobände lutherischer
Predigten zu wirken, die er, ins Griechische übersetzt, 1603 zu Wittenberg herausgab.
Wenige Jahre nachher wurden diese Verhandlungen allgemein bekannt, und da von
mehreren Seiten Angriffe auf die Tübinger erfolgten, sahen sich diese veranlaßt, ihre Korre¬
spondenz mit dem Patriarchen unter dem Titel »Acta et scripta Theologorum Wirtemb.
et Patriarchae Const. etc.« drucken zu lassen und mit einer schmähsüchtigen Vorrede zu ver¬
sehen. Befremdender ist es, daß die Sammlung der Akten nicht vollständig ist, weshalb
neben derselben die später von Crusius edierte »Turcograecia« gebraucht werden muß, welche
teils die fehlenden Stücke teils eine Reihe Anmerkungen gibt, die nicht wenig Licht über den
ganzen Gegenstand verbreiten.
Wie wenig die Griechen geneigt waren, den Protestantismus in sich aufzunehmen, und
wie sie selber die Verhandlungen des Patriarchen mit den Tübingern beurteilten, zeigt deutlich
folgende Äußerung der griechischen Synode von Jerusalem im Jahre 1672: „Fünfzig Jahre
nach der Manie Luthers hat Martin Crusius von Tübingen in Deutschland samt einigen
andern Sophisten der lutherischen Neuerung, (die eine Schwester der calvinischen und nur in
einigen Punkten von ihr verschieden ist), dem damaligen Lenker der apostolischen Kirche in
Konstantinopel die Hauptstücke ihrer Häresie überschickt, um, wie sie sagten, zu erkennen, ob
sie mit der Lehre der apostolischen Kirche übereinstimmen. Aber jener berühmte Patriarch
hat ihnen in drei Antworten, eigentlich wissenschaftlichen Abhandlungen erwidert, ihre ganze
Häresie theologisch und orthodox widerlegt und die ganze von Anfang an in der morgen¬
ländischen Kirche herrschende orthodoxe Lehre ihnen entwickelt. Sie hörten jedoch nicht auf
ihn und kümmerten sich nicht um seinen frommen Eifer."
3. Fünfzig Jahre später suchten die Calvinisten mit mehr Hoffnung, weil vom Patri¬
archen Cyrillus Lukaris selbst unterstützt, die Griechen zu gewinnen. Während sich die
lateinische Kirche nach dem Konzil von Trient zu neuer Kraft erhob, befand sich die griechische
in trostloser Lage und es gab sich in ihr eine entschiedene Neigung zu Rom hin kund.
Vorzüglich war dies im Abendland der Fall, weshalb Cyrill, der von großem Abscheu gegen
die Lateiner erfüllt war und eine Vereinigung der griechischen mit der protestantischen Kirche