Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

Philipps II. Tätigkeit in den Regierungsgeschäften. 
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Philipp H., König von Spanien. 
Philipp war seinem Vater sehr ähnlich. Die helle Gesichtsfarbe, das blonde Haar, 
das Kinn, der Mund erinnerten vollkommen an Karl. Sie waren beide nicht groß, Philipp 
noch etwas kleiner und schwächlicher als sein Vater. Doch schienen die Gesichtszüge des 
Sohnes nicht jenen Scharfsinn zu verraten, der den Vater auszeichnete; auch fand man ihn 
minder leutselig und herablassend. Während der Vater, wenn ihn Reichsfürsten nach Hause 
begleiteten, beim Abschiede den Hut abzunehmen, einem jeden die Haud zu reichen und ihn 
freundlich zu entlassen pflegte, bemerkte man mit Mißfallen, daß sich der Sohn mit keinem 
Auge nach ihnen umsah, sondern ohne sich umzuwenden, die Treppe hinaufstieg. Er hatte 
keine Freude an Jagd und Waffen und schlug selbst die Einladungen seines Vaters ans; 
es war ihm lieber, zu Hause zu bleiben und mit seinen Günstlingen sich zu unterhalten. 
Teilnahme und Offenheit waren nicht seine Tugenden, auch Freigebigkeit zierte ihn nicht, 
aller persönlichen Teilnahme am Kriege zeigte er sich abgeneigt. 
Seit er nach dem Frieden von 1559 ans den Niederlanden nach Spanien zurück¬ 
gekehrt war, verließ er die Halbinsel nicht wieder. Selbst hier vermied er es, vou Ort zu 
Ort zu reisen, wie die frühern Könige und sein Vater immer getan. Er richtete seine Re¬ 
sidenz in Madrid ein. Anfangs erschien er bei den Festen des Volkes; später ließ er sich 
im Jahre ein paarmal auf einer Galerie sehen, welche von seinen Zimmern nach seiner 
Kapelle ging; in den letzten Jahren unterließ er auch dies und blieb immer in feinen Ge¬ 
mächern. Dadurch nahm sein Äußeres den Ausdruck einer unerschütterlichen Ruhe, eines 
stets gleichen Ernstes an, der einschüchternd wirkte. Selbst gewandte Redner kamen aus dem 
Kontexte, wenn sie vor ihm standen und wenn er sie mit den Augen von oben bis unten 
maß. Dann sagte er wohl mit einem stillen Lächeln: „Beruhigt euch!" 
Dagegen war die andere glänzende Eigenschaft Karls, feine rege Tätigkeit in den 
Regierungsgeschäften, auf Philipp übergegangen. Zwar hielt er sich auch hier von un¬ 
mittelbarer Berührung mit andern fern und wir finden ihn weder persönlich unterhandeln 
noch an den Sitzungen des Staatsrates teilnehmen. Aber alle Beschlüsse seiner Räte von 
einiger Bedeutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen Rande 
er fein Gutachten und feine Verbesserungen anzeichnete. Alle Bittschriften und Briefe, die 
an ihn einliefen, die Beratungen feiner Minister, alle geheimen Berichte kamen in seine Hand. 
Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu überlegen, zu beantworten. Von 
seinem Palaste ans, zuweilen von einem ergebenen Sekretär unterstützt, regierte er die ihm 
untertänigen Länder. Wir haben Briese, die er um Mitternacht geschrieben; wir sehen ihn 
die unerquicklichen flandrischen Angelegenheiten auf einem feiner Lustschlösser ordnen, während 
der Wagen unten hält, der ihn zur Königin führen soll. Mußte er einem Feste beiwohnen, 
so verlegte er es auf einen Tag, an dem wenigstens kein regelmäßiger Kurier abzusenden 
war. Mit seinen Finanzen beschäftigte er sich ununterbrochen und zeigte sich über dieselben 
zuweilen besser unterrichtet als seine Präsidenten. Von seinem Lande wollte er alles wissen. 
Er verlangte, daß man zu seinem Gebrauche eine allgemeine Statistik von Spanien aus¬ 
arbeite, von welcher die Bibliothek des Escorial noch sechs Bände aufbewahrt. Selbst die 
einzelnen wollte er kennen. In jedem Sprengel hatte er einige Korrespondenten, die ihm 
von dem Leben und Wirken der Geistlichen, der Inhaber von Pfründen berichteten. An 
den Universitäten hatte er immer einen Prälaten, der ihm Nachricht gab, wie die Mitglieder
	        
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