Philipps II. Tätigkeit in den Regierungsgeschäften.
155
Philipp H., König von Spanien.
Philipp war seinem Vater sehr ähnlich. Die helle Gesichtsfarbe, das blonde Haar,
das Kinn, der Mund erinnerten vollkommen an Karl. Sie waren beide nicht groß, Philipp
noch etwas kleiner und schwächlicher als sein Vater. Doch schienen die Gesichtszüge des
Sohnes nicht jenen Scharfsinn zu verraten, der den Vater auszeichnete; auch fand man ihn
minder leutselig und herablassend. Während der Vater, wenn ihn Reichsfürsten nach Hause
begleiteten, beim Abschiede den Hut abzunehmen, einem jeden die Haud zu reichen und ihn
freundlich zu entlassen pflegte, bemerkte man mit Mißfallen, daß sich der Sohn mit keinem
Auge nach ihnen umsah, sondern ohne sich umzuwenden, die Treppe hinaufstieg. Er hatte
keine Freude an Jagd und Waffen und schlug selbst die Einladungen seines Vaters ans;
es war ihm lieber, zu Hause zu bleiben und mit seinen Günstlingen sich zu unterhalten.
Teilnahme und Offenheit waren nicht seine Tugenden, auch Freigebigkeit zierte ihn nicht,
aller persönlichen Teilnahme am Kriege zeigte er sich abgeneigt.
Seit er nach dem Frieden von 1559 ans den Niederlanden nach Spanien zurück¬
gekehrt war, verließ er die Halbinsel nicht wieder. Selbst hier vermied er es, vou Ort zu
Ort zu reisen, wie die frühern Könige und sein Vater immer getan. Er richtete seine Re¬
sidenz in Madrid ein. Anfangs erschien er bei den Festen des Volkes; später ließ er sich
im Jahre ein paarmal auf einer Galerie sehen, welche von seinen Zimmern nach seiner
Kapelle ging; in den letzten Jahren unterließ er auch dies und blieb immer in feinen Ge¬
mächern. Dadurch nahm sein Äußeres den Ausdruck einer unerschütterlichen Ruhe, eines
stets gleichen Ernstes an, der einschüchternd wirkte. Selbst gewandte Redner kamen aus dem
Kontexte, wenn sie vor ihm standen und wenn er sie mit den Augen von oben bis unten
maß. Dann sagte er wohl mit einem stillen Lächeln: „Beruhigt euch!"
Dagegen war die andere glänzende Eigenschaft Karls, feine rege Tätigkeit in den
Regierungsgeschäften, auf Philipp übergegangen. Zwar hielt er sich auch hier von un¬
mittelbarer Berührung mit andern fern und wir finden ihn weder persönlich unterhandeln
noch an den Sitzungen des Staatsrates teilnehmen. Aber alle Beschlüsse seiner Räte von
einiger Bedeutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen Rande
er fein Gutachten und feine Verbesserungen anzeichnete. Alle Bittschriften und Briefe, die
an ihn einliefen, die Beratungen feiner Minister, alle geheimen Berichte kamen in seine Hand.
Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu überlegen, zu beantworten. Von
seinem Palaste ans, zuweilen von einem ergebenen Sekretär unterstützt, regierte er die ihm
untertänigen Länder. Wir haben Briese, die er um Mitternacht geschrieben; wir sehen ihn
die unerquicklichen flandrischen Angelegenheiten auf einem feiner Lustschlösser ordnen, während
der Wagen unten hält, der ihn zur Königin führen soll. Mußte er einem Feste beiwohnen,
so verlegte er es auf einen Tag, an dem wenigstens kein regelmäßiger Kurier abzusenden
war. Mit seinen Finanzen beschäftigte er sich ununterbrochen und zeigte sich über dieselben
zuweilen besser unterrichtet als seine Präsidenten. Von seinem Lande wollte er alles wissen.
Er verlangte, daß man zu seinem Gebrauche eine allgemeine Statistik von Spanien aus¬
arbeite, von welcher die Bibliothek des Escorial noch sechs Bände aufbewahrt. Selbst die
einzelnen wollte er kennen. In jedem Sprengel hatte er einige Korrespondenten, die ihm
von dem Leben und Wirken der Geistlichen, der Inhaber von Pfründen berichteten. An
den Universitäten hatte er immer einen Prälaten, der ihm Nachricht gab, wie die Mitglieder