162
Maria Stuart mit Bothwell getraut; als Gefangene nach Lochleven gebracht.
wiesen; darum griff er zur Gewalttat. Maria war am 24. April nach Stirling geritten,
um ihren Sohn zu besuchen; da wurde sie auf dem Rückwege von Bothwell mit 1000 Reitern
aufgehalten und nach der Festung Dunbar geführt, wo er sie zwölf Tage gefangen hielt
und endlich zur Heirat nötigte. Am 15. Mai fand die Trauung statt. Die unglückliche
Königin fand man oft bitter weinen. Durch die Vermählung mit Bothwell war der Ver¬
dacht der Teilnahme am Morde Darnleys, ber gegen Maria aufgestiegen war, befestigt
worden; denn Bothwell wurde jetzt von den Grafen und Lords durch öffentliche Kund¬
machung beschuldigt, Darnley ermordet zu haben und nun auch nach dem Besitze des Prinzen
zu streben, um dem Thronerben das gleiche Schicksal wie dem Vater zu bereiten. Unweit
Edinburgh stellte sich Bothwell dem wohlgerüsteten, an Zahl überlegenen Feinde entgegen.
Vom frühen Morgen bis 9 Uhr abends standen die Scharen einander gegenüber; endlich
einigte man sich dahin, Bothwell solle sich ungehindert hinwegbegeben, die Königin aber in
die Hauptstadt zurückkehren. Der Umstand, daß man Bothwell entkommen ließ, dürfte wohl
die Meinung bestätigen, daß die konföderierten Lords hauptsächlich die Entthronung
Maria Stuarts und die Einsetzung der Regentschaft des katholikenfeindlichen Murray
im Auge hatten. Maria brach mit dem Heere nach Edinburgh auf; aber bei ihrer An¬
kunft in der Hauptstadt strömte ihr der aufs höchste erregte Pöbel entgegen. Sie wurde
mit Vorwürfen unb Verwünschungen überhäuft unb vor ihren Augen wehte ein Banner,
auf bem man den Leichnam Darnleys und ihren Sohn kniend erblickte mit der Unterschrift:
„Räche mich, o Herr!" Sie wurde in das Haus des Stadtvogtes geführt, in ein Zimmer-
gesperrt und nach 22 Stunden, während welcher man sie öfter in jämmerlicher Gestalt, das
Haar auf die Brust unb Schultern hera&hängenb, am Fenster sah unb Tränen im Auge
ihre Unschulb beteuern unb bie Bürger beschwören hörte, ihre Königin aus ben Hänben
grausamer Verräter zu befreien, um 9 Uhr bes folgenben Tages, am 16. Juni, nach bem
Schlosse Lochleven gebracht, wo Wilhelm Douglas, Murrays Stiefbruber, wohnte.
In einer silbernen Kassette will man Schriften gefunben haben, zwölf Sonette unb
sieben Briefe, welche bie Schulb Maria Stuarts an bem Tobe ihres Gemahls beweisen sollen.
Aber schon bie heuchlerische, geheimnistuerische Art, mit welcher bie Ankläger biefe Beweisstücke
vorlegten, bie leichtfertige Weise, in welcher bie Diener ber Königin Elisabeth ihre Echtheit
prüften, bie Entschiebenheit, mit ber Maria Stuart ihre Mitteilung forberte, um ihre Fälschung
vor ber ganzen Welt beweisen zu können, unb bie unbegrünbete Nichterfüllung ihrer Forberung
zeigen, baß es mit ber Echtheit biefer Briefe schlimm stehen mußte. Schon früher hatte
Maria, ba ihr gefälschte Unterschriften vorgelegt würben, aufmerksam gemacht, baß man ihre
Hanbschrift nachmache.
In Ebinburgh versammelten sich bie „Königsrächer" unb beschlossen am 21. Juli,
ber Katholizismus solle vollenbs abgeschafft sein unb bie Königin wegen schlechter
Lebensführung nicht weiter bie Regierung behalten können, sondern zur Krönung ihres
Sohnes und zur Bildung eines Regentschaftsrates ihre Zustimmung geben müssen. Der ge¬
fühllose Kerkermeister Lord Linbfay verlangte unter Tobesbrohung bie Unterschrift von ber
Königin unb brückte ihr mit feinem eisernen Hanbschuh ben Arm zum Unterschreiben so fest,
baß ein blaues Mal blieb. Maria unterzeichnete, protestierte aber, sobalb sie wieber
ihre Fassung gewonnen hatte, gegen bie erzwungene Unterschrift; umsonst — ber Prinz
wurde gefrönt, während er schlief, und Murray, der von Frankreich herbeigeeilt war, über¬
nahm die Gewalt. Maria Stuart sollte nach dem Plane der Verschwornen Lochleven nicht
mehr lebend verlassen; doch ihre Schönheit unb ihr Unglück gewannen ihr bas Mitleib bes
Brubers bes Regenten, Georg Douglas. Eines Morgens brachte er eine Wäscherin in bas