Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

Thurn vor Wien. Ferdinand als König von Böhmen abgesetzt. Friedrich von der Pfalz gewählt. 201 
Catilinn des 17. Jahrhunderts/) bis nach Wien vor und belagerte den König Böhmens in 
der kaiserlichen Burg. Nur die Standhaftigkeit Ferdinands hielt einen schmachvollen Vertrag 
ab, der Sieg des kaiserlichen Generals Bucquoi über Mansfeld bei Zablat weitere Fortschritte 
der Böhmen. Vergeblich hatte Ferdinand alle Mittel der Güte wie des Ernstes aufgeboten; 
schon im Januar 1619 war von der revolutionären Partei in Böhmen seine Absetzung als 
König von Böhmen, die Trennung Böhmens vom Hause Österreich ausgesprochen worden. 
Als die Nachricht in Prag ankam, der protestantische Fürst von Siebenbürgen, Bethlen Gabor, 
habe beschlossen, sich des Königreichs Ungarn zu bemächtigen, als die Union sich rüstete und 
Kurpfalz den kaiserlichen Truppen den Durchzug verweigerte, wurde bereits eine Vermittlung 
der ungarischen Stände von den Böhmen abgewiesen, da man der Majorität der Protestanten 
sicher sei. Die Nachricht eines großen Sieges über den kaiserlichen General Dampierre wurde 
ausgesprengt, ein großer Fast- und Bettag anberaumt, dann Ferdinand völlig entsetzt, am 
23. Geburtstage des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz (26. August 1619) dieser von 
den aufrührerischen Ständen Böhmens zum König gewählt. In allen evangelischen Kirchen 
wurde mit den Glocken geläutet und Te Deum gesungen, dem neuen König aber geschrieben, 
es sei dies in Kraft der allzeit unverbrüchlich gehaltenen Wahlfreiheit geschehen, er möge 
darin den gnädigen Willen Gottes uud die Berufung erkennen. Zwei Tage später wurde 
Ferdinand zu Frankfurt zum römischen König und Kaiser erwählt, nachdem kurz 
vorher der Pöbel in Wien schon davon gesprochen, ihn abzusetzen und in ein Kloster zu sperren; 
die Calvinisten aber meinten, man sollte lieber den Türken oder Teufel als den katholischen 
Ferdinand wählen. Ja, nachdem Ferdinand gewählt worden, belagerte Graf Thurn mit 
Bethlen Gabor Wien zum zweitenmal. Nur der Sieg des ungarischen Palatins Georg 
Homona rettete Wien vor den feindlichen Scharen. Es wurde dieser Sieg der Anfang der 
Entfaltung der katholischen Streitkräfte, der Eintritt eines unerwarteten Wendepunktes. Schon 
am 26. Januar 1619 hatte sich die Liga in ihrer alten Ausdehnung wieder hergestellt; am 
8. Oktober schloß, da der Kurfürst von der Pfalz die Krone Böhmens wider Ehre und 
Pflicht angenommen, sein rechtschaffener Vetter Maximilian von Bayern den Vertei¬ 
digungsbund mit dem Kaiser, verweigerte dem am 4. November zu Prag gekrönten König 
den Königstitel und begann als Haupt der Liga umsasseude Rüstuugeu. Auf dem Tage zu 
Mühlhausen trennten sich nun auch der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf Ludwig 
von Hessen von der Sache des unrechtmäßigen Königs. Da ferner der Aufstand auf Ver- 
*) Es ist Tatsache, daß gerade die sogenannten „Helden" dieses im Namen der Religion geführten 
Kampfes Menschen ohne alle Religion waren. So Thurn, so der Mansfelder, so Christian von Braun¬ 
schweig. Verrat an Kaiser und Reich, Verhöhnung alles Rechts, Unsittlichkeit jeder Art waren die Maximen 
dieser „gottlosen Buben", wie sie ein ehrlicher Geschichtschreiber nennt. Und was für Leute hielten es mit 
ihnen? Ein Bericht von 1623 (Acta Mansfeldica) schildert des Mansfelders Heer: „Verdorbene von Adel, 
Freibeuter, verlaufene Pfaffen und Studenten, Schreiber, Bankerottierer, Gassenjungen, Vaterverderber, 
Leutfresser, müßige Gesellen aus aller Herren Landen und Konfessionen. Das Lager ist eine Hochschule 
aller Bubenstücke." Darin gingen die Führer selbst mit dem besten Beispiel voran. Mansfeld, von ver¬ 
wachsenem uud häßlichem Äußern, schleppte einen Harem der schönsten Mädchen mit sich herum. Er wie 
der Braunschweiger waren schamlose Räuber. Als letzterer zu Paderborn die goldene Statue des heiligen 
Liborius fand, umarmte er sie und dankte dem Heiligen, daß er auf ihn gewartet habe. In Münster warf 
er den 12 silbernen Aposteln vor, daß sie so müßig dastünden, sie sollten ausgehen in die Welt und pre- 
digen^ ließ sie einschmelzen und Geld daraus machen. An offener Tafel rühmt er sich, was er an Frauen 
und Jungfrauen Schändliches verübt. Wenn es Tatsache ist, daß der Mausfelder zu ein und derselben 
Zeit (1622) den Franzosen, Spaniern und Niederländern nach dem Meistgebot seine Dienste angeboten, 
so begreift man nicht, wie man einen solchen Mann als „deutschen Helden" hat rühmen können.
	        
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