Charakter Wallensteins. Züge Gustav Adolfs.
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durchaus nur nach dem ihm zustehenden Recht, nur nach dem Grundsätze des Augsburger
Religionsfriedens »cuius regio, eius religio,« der von protestantischen Fürsten zur Ausbreitung
und Festigung des Protestantismus ausgegangen war und fortwährend angewendet wurde
und den er seinerseits bei den protestantischen Fürsten anerkannte. Der lutherische Kurfürst
Johann Georg von Sachsen gab deshalb nur dem Rechte Ißusdrnck, wenn er sagt: „Aller¬
dings hat der Kaiser in Böhmen, Mähren, Österreich die katholische Region hergestellt, aber
das sind seine Erblande, über welche diese Befugnis ihm zusteht, und mit dem Reich hat das
nichts zu schaffen ... Wir alle wünschen und sehnen den Frieden zurück auf des Reiches
Boden. Dazu ist vor allen Dingen nötig, daß der Pfalzgraf Kurfürst sein Vergehen bei
den böhmischen Händeln aufrichtig bekenne und den Kaiser um Verzeihung bitte. Dann
ferner ist es nötig, daß alle evangelischen Fürsten des Reiches in gebührlichem Gehorsam sich
um ihren Kaiser scharen und ablassen von allen Bündnissen untereinander und mit fremden
undeutschen Mächten." Also der lutherische Kurfürst in einer offiziellen Schrift. Deshalb
wiesen der Kaiser und die Katholiken mit gleicher Entschiedenheit wie die Lutheraner den
Vorwurf eines Religionskrieges zurück.
In Wallensteins sonderbarem Charakter muß alles aus seinem astrologischen Wahn
erklärt werden; daher der grenzenlose Stolz, die Verachtung aller andern Menschen als
Wesen geringerer Art. Mehr als durch seilte letzten zweideutigen Anschläge, die seinen Sturz
veranlaßten, hat er dadurch verschuldet und Unglück über Deutschland gebracht, daß es vor¬
züglich sein Ehrgeiz mit war, welcher den Krieg so groß machte, und durch die kundgegebene
Absicht, eine Herrschaft an der Ostsee an sich zu reißen, den König von Schweden, welcher
schon durch den Beistand, den der Kaiser seinem Schwager Siegmund geleistet hatte, gereizt
war, nach Deutschland lockte, ^ener in sich gekehrte Stolz und sein Wahn bei der inneren
Glut der Leidenschaften könnte Wallensteins Geist verwirrt haben und die Erklärung der¬
jenigen rechtfertigen, die einiges in seinem letzten Betragen weniger auf Verrat als auf die
Verwirrung seines Gemütes deuten. Was ihn in die Zahl der ersten Männer seiner Zeit
setzt, wenn ihn auch an eigentlicher Feldherrnkunst andere übertroffen haben oder chm gleich¬
gekommen sind, ist nicht bloß sein erfinderischer Geist, sondern jene Gewalt, welche er über
die Gemüter ausübte. Was würde wohl aus Deutschland geworden sein, wenn der astro¬
logische Held seine Entwürfe ausgeführt, wenn er wirklich gesiegt hätte? Soviel ist gewiß,
wenn Österreich im Sinne einer herrschsüchtigen und eigennützigen Politik zur rechten Zeit
mit den Schweden hätte teilen wollen, so wäre nichts leichter gewesen, als mit dieser ver¬
einten Macht Frankreichs Einfluß von Deutschland abzuhalten und es in seine Grenzen
zurückzuweisen, die Beute aber groß genug, um auch für Wallenstein ein Königreich abzu¬
werfen. Doch dazu war Österreichs Denkart viel zu aufrichtig.
Als Wallenstein Gebieter der Ostsee zu sein wähnte, dann bald Gustav Adolf einen
großen Teil Deutschlands ebenso rasch wie siegreich durchzog, als Augsburg dem schwedischen
König huldigte, wurde ein ganz neuer Umschwung der Dinge erwartet; man erinnerte sich
tn Italien an die Zeit der Völkerwanderung und an die alten Heereszüge der Goten. Nach
der Eroberung von Deutschland, von Polen und Ungarn schien selbst ein Zug der siegreichen
Schweden nach Spanien nicht unmöglich. Gustav Adolf besaß neben der durchdringenden
Klugheit, die mehrere Helden seiner Partei auszeichnete, von seinem Ahnhern Gustav Wasa
auch die Gabe, durch glänzende Taten die Liebe seines Volkes zu begeistern; eine Gewalt,
wie er sie auf die Gemüter und auf das Volk hatte, war seit Luther von keinem der ©einigen
ausgeübt; das Vertrauen, der Glaube, den er auf sich selbst setzte, flößte auch andern den-
lelben unerschütterlichen Glauben ein. Daß Ehrsucht und Eroberungssucht bei ihm mit der