Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

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Entsetzliche Blasphemien. Aufruf Collots d'Herbois. 
Lyon, verhaften und verurteilen durch ein Kriegsgericht alle Gegner der Revolution, welche 
die Waffen ergriffen haben. Alle Lyoner werden entwaffnet, die Stadt wird mit Ausnahme 
näher bezeichneter Gebäude ganz zerstört, erhält deu Nameu „Befreite Gemeine" (»commune 
affranchie«) und auf den Ruinen erhebt sich ein Denkmal mit der Inschrift: „Lyon bekriegte 
die Freiheit, Lyon hörte auf zu sein." Zur Rechtfertigung dieses Beschlusses sagt Barrere, 
der den Antrag gestellt hatte: „Die Formen sind ein wenig Herb; aber eine Stadt, von Ver¬ 
schwörern bewohnt, verdient unter ihren Ruinen begraben zu werden." 
Collot d'Herbois uud Fouche, denen vorzugsweise die Vollziehung des Beschlusses aus- 
getragen wurde, ordneten an dem Tage, wo Hebert sein gottesleuguerisches Fest in Paris 
abhielt, ein Fest zu Ehren Chaliers als eines für Lyon gestorbenen erlösenden Gottes. 
Seine Büste wurde im Triumphe einhergetragen und Klnbbisten und gemeine Weiber schrien: 
„Nieder mit den Aristokraten, es lebe die Republik, es lebe die Guillotine!" In den Händen 
trugen sie heilige Gefäße, die sie mit bacchantischer Trunkenheit und dämonischer Wut in der 
Luft schwangen. Allen voran führte man einen Esel, mit Chorrock und Bischofsmütze be¬ 
kleidet, an seinem Schwänze ans dem Boden hinschleppend Kruzifix und Bibel. Hierauf 
folgten die drei Prokonsuln, Collot, Fouche und Laporte; sie stellen Chaliers Büste auf einen 
Altar, beugen ihre Knie, beten zu ihm mit lauter Stimme und versprechen, ihn zu rächen. 
Kruzifix und Bibel werden nun vom Schwänze des Esels losgebunden und ins Feuer ge¬ 
worfen, die Hostien mit Füßen getreten und der Abendmahlskelch dem Esel vorgesetzt. 
Um diese Zeit der frechsten Greuel erließ Collot folgenden Aufruf: „Wir ersuchen 
jeden, der diese Anweisung liest, sich mit dem Geiste zu erfüllen, der sie eingegeben hat, zu¬ 
gleich aber zu merken, daß, wenn man das Ziel andeutet, wonach jeder streben soll, damit 
die Grenzen nicht vorgeschrieben sein sollen, wo man anhalten müsse. Denen, die im Geiste 
der Revolution handeln, ist alles erlaubt; es gibt nur eine Gefahr für den Republikaner, 
hinter den Gesetzen der Republik zurückzubleiben. Wer ihnen zuvorkommt, ja, wer dem 
Scheine nach selbst das Ziel überschreitet, ist oft noch nicht dort angelangt. Wozu euch noch 
mehr sagen? Wenn ihr Patrioten seid, werdet ihr eure Freunde zu unterscheiden wissen und 
alle andern zur Seite werfen. Ihr werdet nicht so töricht sein, einige äußere und gezwun¬ 
gene Handlungen für Beweise des Patriotismus zu halten, wodurch die Verräter oft euch 
zu täuschen gesucht haben. Die meisten werden zu euch sprechen: Was hat man uns vor¬ 
zuwerfen? Haben wir uns nicht immer gut gezeigt, unsern Dienst in der Bürgerwache getan, 
unsere Steuern bezahlt, Opfer auf bem Altare des Vaterlandes niedergelegt? Wir haben 
selbst unsere Kinder zur Verteidigung der Grenzen gesandt; was verlangt man, was will 
man noch von uns? Ihr werdet ihnen antworten: Alles bas kümmert uns wenig. Ihr habt 
nie bas Volk geliebt, ihr habt bie Gleichheit als ein Hirngespinst behanbelt, ihr habt bei ber 
Benennung „Sansculotten" zu lächeln gewagt; ihr habt Überflüssiges besessen, währenb an 
eurer Seite eure Brüber Hungers starben; ihr seib nicht würbig, mit ihnen eine Gesellschaft 
auszumachen, unb weil ihr verschmäht habt, bie Sansculotten an euerm Tische sitzen zu 
lassen, so speien sie euch auf ewig aus un£) verbammeit euch, nun bie Ketten zu tragen. Re¬ 
publikaner, seht hier eure Pflichten: Daß keine Rücksicht euch schrecke, Weber Alter noch Ge¬ 
schlecht noch Verwanbte euch aufhalten. Hanbelt ohne Furcht, achtet nur bie Sansculotten! 
Nichts kann euch bavon entbinben, sogleich ben Reichen eine revolutionäre Steuer aufzulegen, 
ohne Ausnahme. Ihr müßt hierbei nach einer großen, wahrhaft revolutionären Weise bie 
Summen bestimmen, welche jeber zum gemeinen Besten hergeben soll. Es ist hier von keiner 
mathematischen Genauigkeit ober ängstlichen Abschätzung bie Rebe. Nehmt alles, was ein 
Bürger Überflüssiges hat; benn bas Überflüssige ist eine offenbare Verletzung ber Volksrechte.
	        
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