Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

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Schlacht bei Trafalgar' 
selbe möchte sich in die Bucht von Cadix zurückziehen. Am 21. gab er Befehl, in zwei 
Linien von Westen nach Osten auf die Franzosen loszusteuern. Die Losung war: „England 
erwartet, daß jedermann seine Schuldigkeit tut." „Jetzt," sprach er, „kann ich nichts mehr 
tun, das übrige müssen wir dem Lenker der Schicksale und der Gerechtigkeit unserer Sache 
überlassen. Ich danke Gott, daß er mir diese große Gelegenheit gibt, meine Schuldigkeit zu 
tun." Nelson hatte das Vorgefühl seines nahen Todes. Nach der Schlacht bei Abukir hatte 
er sich aus den Trümmern des Orient seinen Sarg zimmern lassen und bei dem Abschied 
von England befohlen, auf den Deckel seine Lebensgeschichte einzugraben, denn „er brauche 
ihn auf der Heimreise". Um 12 Uhr mittags begann die Schlacht. Collingwood an der 
Spitze der südlichen Linie kam zuerst zum Zusammenstoß mit den Spaniern und bald waren 
hier alle Schiffe in Pulverdampf gehüllt. Eiue halbe Stunde später gab Nelson vernichtende 
Salven auf die feindlichen Schiffe, während er ruhig auf dem Verdeck des „Victory" auf 
und ab schritt. Es gelang ihm, sich durch die Franzosen Bahn zu brechen und den nörd¬ 
lichen Teil ihrer Flotte abzuschneiden. Geziert mit den vier Sternen, die auf seiner Brust 
glänzten, stand er auf dem Deck. Umsonst warnten ihn seine Freunde. „In Ehren gewann 
ich sie und in Ehren will ich mit ihnen sterben," war seine Antwort. Bald wurde er vou 
den Scharfschützen auf dem Besammaste des Redoutable bemerkt, eine Kugel drang in Nelsons 
Brust; er sank in die Knie, suchte sich mit der einen Hand zu halten und sagte zu seinem 
Adjutanten: „Ich fühle, es ist um mich geschehen, mein Rückgrat ist durchschossen." 
Man trug ihn in die Kajüte hinab. Die Schlacht wogte weiter. „Wie steht es mit 
uns?" „Wird doch keines von unsern Schiffen gestrichen haben?" fragte der sterbende Sieger. 
Sein Auge schien gebrochen; noch einmal leuchtete es auf, als Kapitän Hardy vom Verdeck zu 
ihm herabkam und ihm glückwünschte zum errungenen Siege. Er hatte nur so lange noch zu 
leben gewünscht, bis der Sieg vollständig sei. „Gott sei Dank, ich habe meine Schuldigkeit 
getan!" waren seine letzten Worte. Siebzehn feindliche Schiffe, unter ihnen die zwei Admiral¬ 
schiffe „Bncentaure" und „Santissima Trinidad“ waren genommen, Villeueuve gefangen und 
der spanische Vizeadmiral Gravina zum Tod verwundet. Mit dem Tage von Trafalgar verlor 
Frankreich die letzte Hoffnung des Sieges über England uud England war die Oberherrschaft 
zur Sce gesichert. Die Kunde von Trafalgar verbitterte Napoleon den Sieg bei Austerlitz. 
Als ob die Niederlage vor ganz Frankreich hätte geheim bleiben können, durfte keines der 
dienstbaren Tagesblätter deren Erwähnung tun. 
Stein und Scharnhorst. 
Unter den Befreiern Deutschlands ragen zwei Männer hervor, welche die beiden Stämme, 
die sich über Norddeutschland ausgebreitet und einen großen Teil seiner Marken, Pommerns 
und Preußens, bevölkert haben, in Charakter und Art treu repräsentieren: Heinrich Friedrich 
Karl von Stein und Gebhard David Scharnhorst. 
Freiherr von Stein aus Nassau an der Lahn gehörte dem Geschlechte der Freiherren 
von und zum Stein an, die seit uralten Zeiten unter den Gliedern des Reichsadels durch 
Besitz und ritterliche Tugend hervorragten. Seine Mutter flößte ihm Gottesfurcht und Pflicht¬ 
gefühl ein, die an Wiesen und Hochwald reiche Heimat pflegte seinen Sinn für die Schönheit 
der Natur, das Studium der alten und neuen Geschichte kräftigte seinen Geist. 1773 bezog 
er unter Leitung eines Hofmeisters die Universität Göttingen und hörte Vorlesungen über
	        
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