Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

500 Charakterzüge Scharnhorsts. Umgestaltung des Heeres. 
militärische Erziehung. Im Jahre 1777 trat er nach dem Tode des Grafen, der in ihm 
bereits den ausgezeichneten Geist erkannt hatte, in Hannoveranische, 1801 in preußische Dienste; 
1804 wurde er Oberst, während des Krieges 1807 Generalmajor. Scharnhorst war ein 
Mann, an dem man auch im gewöhnlichen Leben den Feldherrn erkannte. Er besaß in der 
ruhigen Kraft, die ihm eigen war, ganz andere Mittel als Stein, 
Reibungen und Schwierigkeiten, wie sie durch Furchtsamkeit und 
Schwäche der Menschen herbeigeführt werden, zu trotzen und 
Neid und Eitelkeit durch bescheidene Anspruchslosigkeit zu ent¬ 
waffnen. „Ruhige Beharrlichkeit, eine prophetische Zuversicht auf 
die Macht des Guten lag in seinem milden und doch so ent¬ 
schlossenen Wesen. Auf den ersten Anblick hatte er etwas Phleg¬ 
matisches, Unbeholfenes, bei näherer Bekanntschaft sah man ihn 
voll Sinnigkeit und voll Feuer, das nie nachließ. Eigennutz 
kannte er nicht, alles an ihm diente dem allgemeinen Wohle und 
wie dem Franken Stein vor allem die Umgestaltung der Admini¬ 
stration, so gebührt ihm, dem Sachsen, das Verdienst der Um¬ 
gestaltung des Heeres. Dem Prügel- und Hungersystem im 
Freiherr v. Stein. Heere wurde ein Ende gemacht; Kenntnis und Verdienst sollten 
künftighin für die Beförderung in die Wagschale fallen. Scharn¬ 
horst wies die Mängel des früheren Heerwesens, die ja der Krieg klar gezeigt hatte, der 
verständigen Einsicht gegenüber deutlich nach. Freilich konnte man nicht sofort die unein¬ 
geschränkte Verpflichtung zum Kriegsdienste einführen; aber man bereitete darauf vor. Die 
Konvention, welche Preußen mit Frankreich am 8. Septem¬ 
ber 1808 über die rückständigen Kontributionen schloß, be¬ 
schränkte das preußische Heer auf 42,000 Mann. Dadurch 
war die offene militärische Tätigkeit beengt, es mußte noch 
etite geheimere wirksam werden. Von dieser war der stille 
Scharnhorst recht eigentlich die Seele. Man beschränkte sich 
anfangs darauf, einen raschen Wechsel in der Armee ein¬ 
treten zu lassen und, sobald Rekruten einexerziert waren, sie 
zu entlassen, an ihrer Stelle andere auszuheben, mit diesen 
ebenso zu verfahren und auf diese Weise einen möglichst 
großen Teil des Volkes waffentüchtig zu machen. So hatte 
man nach drei Jahren, ohne daß man das stehende Heer 
um einen Mann über ben durch die Konvention zugestandenen 
Betrag vergrößert hätte, nahe an 150,000 Mann exerzierte 
Soldaten. In aller Stille wurde dafür gesorgt, daß für 
General v. Scharnhorsk. eine solche Macht sofort die nötige Waffenrüstung vorhanden 
war. Die Festungen erhielten eisernes Geschütz; alle Artillerie- 
stücke, die man gerettet hatte, wurden in Feldstücke umgegossen, so daß wieder eine ange¬ 
messene Artillerie geschaffen wurde. Aus dieser stillen Tätigkeit ging Schritt für Schritt 
allmählich das System der preußischen Landwehr hervor, ohne daß die Franzosen die starke 
Macht ahnten, die sich hier wie unter der Erde bildete.
	        
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