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Moritz verrät den Kaiser. Sein Plan. Angriffsbündnis,
Gelegenheit, ohne Aufsehen zu rüsten und seine Streitkräfte zu entwickeln. Auf einem Tage
zu Torgau im Mai 1551 lenkte er die Aufmerksamkeit der dort versammelten protestantischen
Fürsten zunächst darauf, wie viel Geld monatlich die Aufstellung eines Heeres zur Verteidi¬
gung der Religion erfordere. Er schlug vor, sich deshalb an Frankreich und England zu
wenden. Sein Plan wurde genehmigt und Freiherr Friedrich von Reifenberg ging sofort
mit einer von sämtlichen Fürsten versiegelten Instruktion nach Paris. Nichts konnte wohl
dem französischen Hofe erwünschter sein als ein solcher Antrag, der es möglich machte, das
Reichsoberhaupt mit Hilfe der Reichsfürsten selbst zu überwältigen. Doch mußte mau einen
Schritt weiter tun. Schon die Antwort, welche Reifenberg zurückbrachte, sprach kaum mehr
vou einem bloßen Schutzbündnis gegen des Kaisers Übermacht, sondern von einem offenen
Angriff auf denselben. Noch deutlicher erklärte sich ein bald darauf nach Deutschland ge¬
schickter französischer Geschäftsträger. Bei den Beratungen siegte die Ansicht, man müsse das
Haus Österreich demütigen und deswegen den Kaiser in den Niederlanden, dem Herzen seiner
Macht, angreifen und alle Anhänger Österreichs in Deutschland sofort niederwerfen.
Am 3. Oktober vereinbarten die verschwornen Fürsten auf
dem Jagdschlösse Lochau ein Angriffsbündnis mit Heinrich II.,
um das kaiserliche „bestialische Joch viehischen Servituts" „mit
Heereskraft und gewaltiger Hand" von sich zu werfen, die „alte
Libertät" zn erretten und den Landgrafen Philipp von Hessen zu
befreien. Aber schon an demselben Abend bei der Tafel kam es
zn einem Wortwechsel zwischen Moritz und dem Markgrafen Hans
von Küstrin und letzterer trennte sich, nicht wegen abweichender
Ansicht über den Charakter des Bundes, sondern lediglich aus per¬
sönlichen Gründen von den Verschwornen. Am 5. Oktober wurde
von Moritz, Johann Albrecht von Mecklenburg und Wilhelm von
Hessen eine neue Urkunde des Bündnisses mit Frankreich ausge¬
fertigt. Der König von Frankreich sollte zur Errettung der
deutschen Freiheit für die ersten drei Monate des Krieges 240,000,
für jeden der folgenden Monate 60,000 französische Taler zahlen.
Dafür aber sollte Heinrich II. auch belohnt werden. „Es wird
für gut gehalten, daß der König aufs förderlichste sich berjenigen
Stäbte bemächtigt, welche von alters her zum Reiche gehören, aber nicht beutscher Sprache
sind, nämlich Camerich (Cambray), Toul, Metz, Verdim und anderer mehr und dieselben als
Vicarins des Reiches behalte."
Kaiser Karl V. ahute nichts von diesen schleichenden Ränken. Papst Julius III.,
welcher das gute Verhältnis mit bem Kaiser herzustellen suchte, hatte bas Kouzil zu Trient
wieber zusammenberufen, bas am 31. August 1551 eröffnet worben war. Karl V. weilte
in Innsbruck, um ber Kirchenversammlung näher zu sein, von welcher er bie Wieberüereini-
gintg ber Christenheit erwartete.
Nun beburste Kurfürst Moritz einer geschickten Demonstration. Einen geeigneten Vor-
wcinb bot bie Gefangenschaft bes Lanbgrafen Philipp, um bie sich Moritz früher sehr wenig
gekümmert hatte. Die Fürsten sollten sich bei bem Kaiser wegen bes Lanbgrafen verwenben.
Die Fürbitte faub, wie vorauszusehen war, kein Gehör. In ber Tat konnte sich auch Moritz
in ben Absichten bes Kaisers nicht so täuscheu, baß er bie Gewährung erwartet hätte.
Kannte boch Karl V. ben anfbrauseuben, höchst wankelmütigen Charakter Philipps von
Hessen. Wie vermochte er sich auf ein Treuwort besselbeu zu verlassen? Hatte boch auch
Landgraf Philipp von
dessen.
Nach einem Holzschnitt von
Hans Brosamer.