— 97 —
reich seien unerhört beleidigt, und nun ruft man in Paris: „Krieg, Kriegs!
Nieder mit Preußen!" Nun hatten sie also, was sie schon längst gewollt.
So groß in Deutschland die Entrüstung über die übermütige Heraus¬
forderung war, so groß war auch die Freude über die dem Zudringlichen
widerfahrene Abweisung. Man war gefaßt und wartete ruhig der Dinge,
die da kommen sollten. 1)
Am 19. Juli tras iu Berlin die Kriegserklärung ein, In Paris
stimmte man die Marseillaise an und rief: „Nach dem Rhein! Nach
Berlin! Nieder mit Bismarck!" Von Deutschland aus antwortete
man mit der „Wacht am Rhein",2) und tröstlich klangen in jeder Strophe
die Schlußzeilen:
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
Nicht blos der norddeutsche Bund, auch Süddeutschland ergriff nun in
vaterländischer Begeisterung die Waffen und vorwärts gings nach dem
Rhein, um „die heilge Landesmark" zu schützen. König Wilhelm übernahm
selbst den Oberbefehl und erneuerte für diesen Krieg den Orden des Eiser¬
nen Kreuzes. (Was weißt du über die Stiftung desselben?)
An Truppenmacht war Deutschland den Franzosen entschieden über¬
legen. Wie sich später herausstellte, auch an Tüchtigkeit, Ausrüstung und
Führung. Der schweigsame General Moltke hatte den Plan entworfen, und
alle Führer wetteiferten miteinander, denselben auf das genaueste zur Aus¬
führung zu bringen. Die deutsche Kriegsmacht war in 3 Armeen geteilt.
Die 1. unter General von Steinmetz sammelte sich an Mosel und Saar
(Karte!), die 2. unter Prinz Friedrich Karl bei Mainz, die 3. unter dem
Kronprinzen Friedrich Wilhelm in der Pfalz. Die Franzosen hatten
2 Armeen, die eine bei Straßburg unter Mac Mähon(Mack Maong), die
andere bei Metz unter Bazaine (Basähn). Beide sollten sich am Rhein
vereinigen, die nord- und süddeutschen Streitkräfte trennen und, worauf
Napoleon immer noch hoffte, sich mit den süddeutschen Staaten gegen
Preußen vereinigen. Er hoffte auf einen zweiten Rheinbund, aber er hatte
sich, Gott sei Dank, getäuscht. Einiger als 1813 ging Alldeutschland in
Frankreich hinein, noch ehe die französischen Armeen völlig kriegsbereit
waren. Trotz der französischen Kugelspritzen (Mitraillensen — Mitralliösen),
trotz der Zuaveu und Turkos (wilde Horden aus den afrikanischen Besitzungen
der Franzosen) drangen unsere Heere unaufhaltsam vor. Am 28. Juli be¬
gab sich Napoleon III. zur Armee, begleitet von seinem Sohne, den der
Volkswitz „Lulu" nannte. Am 31. Juli traf König Wilhelm bei dem
deutschen Heere ein. In feiner Begleitung befanden sich Gras Moltke, der
„^chlachtendenker , und Graf Bismarck, des Königs erster ÜNinister.
Rasch ging's nun über den Rhein.
!) Oberstufe, S. 180. 2) a. £>. g. 134.
5- Engelmann, 80 Lektionen a. d. deutsch. Geschichte. II.