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Sachsen. In der Schlacht bei Jena und Auerstädt, den 14. Oktober
1806 (war der 14. Oktober nicht früher schon ein verhängnisvoller Tag
sür Preußen gewesen?) erlitt das preußische Heer eine unerhörte Nieder¬
lage. Das waren nicht mehr die Sieger von Prag, Roßbach', Lenthen
und Zorndorf. Der Geist Friedrichs des Großen war von ihnen gewichen,
auf jener Seite aber stand ein Schlachtenlenker, der in Europa nicht seines
gleichen hatte. Das ganze preußische Heer wurde auseinander gesprengt.
Alle preußischen Festungen öffneten sich den Franzosen. Nur Blücher hielt
sich auf dem Rückzüge in blutigem Kampfe bei Lübeck so wacker, daß er
allein die preußische Waffenehre rettete; auch die kleine Festung Kolb erg
hielt sich gegen die übermütigen Feinde. Ihre Verteidiger, Gneisenau
und Schill, die von dem wackeren Bürger Nettelbeck unterstützt wurden,
haben ihre Namen in der Zeit der Schmach mit Ruhm bedeckt. Berlin
wurde eingenommen, der König floh mit seiner Familie nach Königsberg
und bat den Kaiser Alexander von Rußland um Hilfe. Aber die
Schlacht bei Friedland (1807) war nicht glücklicher als die bei Jena, und
in dem bald darauf geschlossenen Frieden zu Tilsit verlor Preußen die
Hälfte seines Besitzes mit 5 Mill. Einwohnern. Ein Teil davon kam zu
dem neugebildeten Königreiche Westfalen, das Napoleons Bruder Hierony¬
mus oder Jerome, ein ehemaliger Handlungsdiener, erhielt. Dieser
hatte seine Residenz in Kassel oder auf dem Schlosse Wilhelmshöhe,
wo er in Saus und Braus ein liederliches Leben führte. — Aus dem
größten Teile der Preußen abgenommenen Ländereien bildete Napoleon das
Großherzogtum Warschau, das der König Friedrich August I.
von Sachsen erhielt. Napoleon beabsichtigte, ihn dadurch noch fester an
sich zu fesseln, was ihm leider nur zu gut gelang.
In der Zeit der tiefsten Erniedrigung war der gute Engel Preußens
Königin Luise, die Mutter unseres Kaisers. Ihr unerschütterliches
Gottvertrauen hielt auch ihren Gemahl, den König Friedrich Wilhelm III.,
ausrecht; in mütterlicher Zärtlichkeit und echt deutscher Gesinnung erzog sie
uns den Mann, der unser Vaterland an dem deutschen Erbfeinde rächen
sollte. — Leider erlebte Luise die Zeit der Erhebung nicht. Von der
Zeit an, wo sie sich um ihres Landes willen so weit erniedrigt hatte, den
stolzen Napoleon vergeblich um mildere Friedensbedingungen zn bitten, war
ihr Herz gebrochen. Sie starb bereits 1810. —
Während Napoleon darnach strebte, auch die pyrenäische Halbinsel
an sich zu reißen, glaubte Österreich den rechten Zeitpunkt gekommen, aufs
neue das Kriegsglück gegen ihn zu versuchen. Es war im Jahre 1809. In
der Schlacht bei Aspern und Eßlingen fanden die Franzosen an dem
Erzherzog Karl solchen Widerstand, daß man von da an nicht mehr daran
glaubte, daß Napoleon unüberwindlich sei; aber bei Wagram neigte sich
das Kriegsglück abermals so den Franzosen zu, daß Franz I. rasch einen
Waffenstillstand mit ihnen abschloß.
In diesem Kampfe hatten auch die Tiroler die Waffen ergriffen. Sie
wollten von Bayern wieder los sein. Das ganze Volk stand auf, denn
sie hofften, der Kaiser werde ihnen beistehen. Aus Schluchten und von