Die alten Aegypter.
9
allmälig verloren. In neuerer Zeit ist es jedoch den Gelehrten gelungen,
die Hieroglyphenschrist zu entziffern. Man fand nämlich in Rosette (in
Unter-Aegypten) einen Stein mit zwei Inschriften, einer griechischen und
einer hieroglyphischen, welche den gleichen Inhalt hatten. Die griechische
Inschrift konnte man lesen und verstehen; sie sagte, daß ihr Inhalt auch trt
hieroglyphischer Schrift auf den gleichen Stein gehauen sei, und so gelang
es, ein hieroglyphisches Alphabet herauszubringen.
Die Kasten. Das ägyptische Volk war in bestimmte Stände oder Kasten
geschieden. Unter diesen war die Priesterkaste am angesehensten. Die
zu ihr gehörigen Familien waren die ersten, vornehmsten und reichsten des
Landes; der größte und schönste Theil der Ländereien war ihr Eigenthum.
Der Beruf und die Beschäftigung dieser Priester war aber auch hier
keineswegs blos auf den Dienst der Götter beschränkt, sondern umfaßte
die ganze höhere Cultur der Nation. Sie waren im Besitz aller wissen¬
schaftlichen Kenntnisse, waren Richter, Aerzte, Baumeister, kurz alles, was
besondere Bildung des Geistes und eine Art von Gelehrsamkeit voraussetzt.
Auch den Königen standen sie als Räthe zur Seite. Dieser Kaste zunächst
stand die der Krieger, aus welcher die Könige oder Pharaonen gewählt
wurden. Die Krieger bildeten nicht ein stehendes Heer von Söldlingen,
sondern waren freie Bürger und befanden sich im Besitze gewisser Län¬
dereien. Sie durften aber, um den kriegerischen Geist nicht zu schwächen,
fein Handwerk lernen. Die Gewerbe waren einer dritten Kaste über¬
lassen, die eine der zahlreichsten war und Handwerker, Künstler, Krämer und
Kaufleute in sich begriff. Zur vierten Kaste gehörten die Ackerbauer,
zur fünften die Schisser, zur sechsten die Dolmetscher und zur siebenten
und letzten die Hirten.
Religion, besonders der Thierdienst. Als Gott des Ackerbaues und
der Fruchtbarkeit wurde Osiris verehrt. Isis war die Mondgöttin. Sehr
merkwürdig ist der Thierdienst der Aegypter.
Viele Thierarten galten für heilig, besonders
Katzen, Schlangen, Hunde, der Ibis, Sperber
u. a. m. Wer eines dieser Thiere aus Vor¬
satz tödtete, mußte sterben; wenn es unvor¬
sätzlich geschah, konnte er sich mit einer
Geldstrafe lösen. Wer aber eine Katze, einen
Ibis oder einen Habicht auch unvorsätzlich
tödtete, mußte die Todesstrafe leiden. Wenn
in einem Hause eine Katze von selbst starb,
so schor sich jedermann in demselben die
Augenbrauen ab; starb ein Hund, so schor
man sich das Haupt kahl. Die größte Ver¬
ehrung genoß der Apis, ein heiliger Stier
zu Memphis. Wenn er starb, so trauerte das ganze Land, bis die Priester
seinen Nachfolger gefunden hatten. Er mußte nämlich schwarz sein, mit
einem weißen Dreieck auf der Stirn, einem weißen halbmondförmigen Fleck
auf der rechten Seite und einem käferförmigen Knoten unter der Zunge.
Daß die List der Priester hierbei thätig war, ist leicht begreiflich.
Der Glaube tut die Fortdauer des Menschen nach dem Tode war
allgemein. Die Wohnungen der Lebendigen nannten die Aegypter Herbergen,
weil wir nur eine kurze Zeit in denselben wohnen. Die Gräber der Ver¬
storbenen aber nannten sie ewige Häuser, weil die Todten in der Unter¬
welt eine grenzenlose Zeit zubringen. Man glaubte nämlich, daß die Seele
sich nicht sogleich nach dem Tode von ihrem Körper trenne, sondern so lange
in demselben lebe, als er vollständig erhalten würde. Aus die Erbauung
Apis.