IV. Deutsches Leben zur Zeit der sächsischen Könige. 2. Das Heerwesen. 33Z
Heinrich I. begann die Umgestaltung des deutschen Heerwesens zunächst
damit, daß er den Heerbann des sächsischen Landes zum größten Teil beritten
machte. Das herkömmliche Aufgebot hatte zwar auch einzelne Reiterscharen
gehabt, aber die eigentliche Masse des Heeres hatte doch aus Fußtruppen
bestanden. Vermutlich kam auch der Reiterdienst bei dem sächsischen Heer¬
bann früher schon häufiger vor als in den übrigen Teilen des Reiches.
Heinrich I. führte nun für den sächsischen Heerbann den Reiterdienst ein;
im übrigen benutzte er für seine Kriege noch das alte Volksaufgebot. Als
die Ungarn im Jahre 933 nach Deutschland kamen, schickte der König, wenn
man dem Geschichtschreiber Liudprand Glauben schenken darf, Boten durch
ganz Sachsen und ließ bei Todesstrafe alle wehrhaften Männer binnen vier
Tagen zum Heere aufbieten. Das Heer, welches darauf zusammenkam, be¬
stand zum größten Teil aus Reitern; der König stellte sein Heer, das nach
Liudprauds Darstellung ausschließlich aus Reitern gebildet war, an einem
verdeckten Orte in Schlachtstellung auf und ließ die Ungarn durch eine
leichtbewaffnete Schar von Thüringern, die man sich selbst nach Widukiuds
kurzem Bericht kaum anders denn als Reiter denken kann, heranlocken. Auch
in der ersten Hälfte der Regierung Ottos I. bestand das Heer noch aus dem
Volksaufgebot. Zu seinem großen Heereszuge in das Westfraukenreich im
Jahre 946 erging ein allgemeines Aufgebot durch alle Teile des Reiches.
Daß es durchaus nicht rittermäßig ausgerüstet war, erkennt man schon ans
der Angabe, daß mit Ausnahme des Abtes Bovo von Corvey und dreier
seiner Begleiter jedermann einen Strohhut trug. Schon im Jahre 955 in
der Ungarnschlacht auf dem Lechfelde ist von Strohhüten nicht mehr die Rede,
sondern die deutschen Streiter trugen Panzer und Helme. Die Züge nach
Italien scheint Otto I. auch nicht mehr mit dem Heerbann, sondern mit
ritterlichen Vasallen unternommen zu haben. Gegen das Jahr 950 muß
demnach das Vasallenheer an Stelle des Volksaufgebotes getreten sein. Die
Umstände mußten immer mehr dazu nötigen. Zu der langdauernden Heer¬
fahrt nach Italien konnte man den gemeinen Mann nicht mehr aufbieten.
Zudem steigerten sich auch die Kosten der Ausrüstung; denn nicht bloß
das Pferd kam hinzu, sondern für den Krieger wurden auch Panzer,
Helm und kostspieligere Waffen erforderlich. Der gewöhnliche Bauer
war schwerlich noch imstande, die Kosten einer solchen Ausrüstung zu
bestreiten; daher mußte der Kriegsdienst allmählich an den begüterten Adel
übergehen. Ans dem Aufgebote Ottos II. zur Heerfahrt nach Italien, das in
feiner schriftlichen Ausfertigung in der kaiserlichen Kanzlei durch einen glück-
ljchen Zufall erhalten ist, geht zur Genüge hervor, daß damals das deutsche
Heer schon fast ausschließlich aus kriegsgeübteu ritterlichen Lehnsmann¬
schaften bestand. Noch mehr zeigt sich dies in den Kriegen Heinrichs II.
Seine Heere waren viel kleiner als das Volksaufgebot, aber dafür auch desto
beweglicher, so daß es ihm möglich wurde, mit seinen Truppen in kurzer
Zeit nach den entlegensten Teilen des Reiches ziehen zu können. Wie sehr
unter ihm schon der berufsmäßige Soldatenstand im Vordergrund stand,
ersieht man aus der Chronik des Thietmar, der wiederholt von den einzelnen
Gefallenen aus dem Heere Heinrichs II. berichtet, daß sie ausgezeichnete
Krieger waren.