454 Zweites Buch. II. Abschnitt: Bilder aus der Zeit der fränk. u. stauf. Kaiser.
Bayern den bayerischen Grafen und Bischöfen gegenüber durchaus unan¬
gefochten, und nirgends finden wir in jenen Jahren eine Spur davon, daß
sich dort irgend welcher Widerstand gegen ihn gezeigt hätte. In anderer
Hinsicht aber waren doch auch die Zustände Bayerns damals tief erschüttert
und vielfach fehr verwirrt in Folge des erbitterten kirchlichen Kampfes, dessen
Schauplatz Jahre lang der Sprengel des Salzburger Erzstiftes gewesen war.
Wenn nun Heinrich der Löwe sich auch unter den wenigen Fürsten befunden
hatte, welche 1165 zu Würzburg den von Reinald von Köln geforderten
Eid geleistet und damit eine Aussöhnung mit Alexander III. und der Hierarchie
sich eigentlich für alle Zeit unmöglich gemacht hatten, so finden wir doch
in den folgenden Jahren keine Spuren, die auf ein diesem Eide entsprechendes
Handeln von Seiten des Herzogs hinweisen könnten, — ja, wenn gewisse
Anzeigen nicht trügen, so möchten wir zu der Annahme neigen, daß Heinrich
der Löwe gerade in jenen Jahren in seiner kirchlichen Parteistellung eine
Schwenkung gemacht hat, welche seiner Vergangenheit in dieser Hinsicht
widersprach und einen Anlaß mehr zu einem künftigen Bruche mit dem
Kaiser herbeiführte.
Wenn man sich den ganzen geistigen Gehalt jener von so gewaltigen
kirchlichen und politischen Kämpfen in ihren Grundfesten erschütterten Zeit
vergegenwärtigt und bedenkt, wie furchtbar tief der Kampf, welchen Kaiser
Friedrich I. gegen das hierarchische Papsttum und damit den ganzen nach
allen Seiten hin so tief verwurzelten Bestand der katholischen Kirche unter¬
nommen hatte, alle Gemüter erregen mußte und wie die erschütternden
Wirkungen desselben bei hoch und niedrig eine gleich mächtige Gährung und
Unruhe hervorrufen mußten, so möchte man sich fast der Ansicht zuneigen,
daß die Wallfahrt nach dem heiligen Lande, welche der siegreiche Slawen¬
besieger, nachdem er auch den Angriff seiner einheimischen Widersacher glücklich
niedergeworfen hatte, im Jahre 1172 ausführte, nicht bloß die Erfüllung
eines frommen ritterlichen Brauches bezweckt habe, sondern der Ausfluß ge¬
wesen sei einer zweifelvollen, mit sich selbst in Widerspruch geratenen Stimmung
eines Geistes, der an dem bisher verfolgten Wege irre geworden ist —
einer ähnlichen Stimmung etwa, wie sie Konrad von Wittelsbach, den zum
Erzbischof von Mainz erhobenen Bruder des Pfalzgrafen Otto, nach San
Jago di Compostella getrieben hatte und deren nächster Erfolg der Abfall
desselben vom kaiserlichen Papsttum zu Alexander III. gewesen war, — der
man auch schon dann eine wichtige Bedeutung zuschreiben müßte, wenn sie
keinen andern Zweck gehabt haben sollte, als den Herzog den kirchlichen
Wirren für längere Zeit zu entziehen und ihm so gegenüber der inzwischen
weitergehenden Entwickelung derselben für die Zukunft eine größere Freiheit
des Entschlusses zu sichern. Uns will es scheinen, als ob die den Zeit¬
genossen so überraschende Wandelung, welche nicht lange nach dieser Wallfahrt
in der kirchlichen Gesinnung und damit in der gesamten Politik des Herzogs
vorging, ihren ersten Anfängen nach sich eben damals vorbereitet habe.
Nachdem er für die Zeit seiner Abwesenheit die Verwaltung Sachsens
und Bayerns seiner Gemahlin Mathilde übertragen und den Schutz des
ersteren noch besonders dem Erzbischof Wichmann von Magdeburg empfohlen
hatte, trat Herzog Heinrich um Mitte Januar 1172 von Braunfchweig aus