Full text: Deutsche Geschichte vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Gegenwart (Teil 2)

Dritter Abschnitt. Wiedergeburt Preußens und Befreiung Deutschlands. 249 
der bäuerlichen Lasten (Fronen und Abgaben an die Gutsherrschaft) gegen Ent¬ 
schädigung an die Grundherren. 5. Die Verleihung staatsbürgerlicher Rechte 
an die Juden. 
Die auf Scharnhorsts Vorschlag eingeführten Verbesserungen sind: 
1. Die ausschließliche Ergänzung des Heeres aus einheimischen Kan¬ 
tonisten. 2. Die Öffnung der Offizierslaufbahn für alle Stände. 
3. Die Abschaffung der entehrenden Strafen. 4. Die Annahme der 
Napoleonifchen Kriegsweise. Das letzte Ziel Scharnhorsts war die 
allgemeine Wehrpflicht. Sie wurde erst bei Beginn des Befreiungs¬ 
krieges für die Dauer desselben eingeführt und endlich am 3. September 
1814 als Staatsgefetz verkündet. Als vorläufiger Ersatz diente das 
sog. Krümperfystem, wonach die einberufenen Mannschaften rasch ein¬ 
geübt wurden, um dann andern Platz zu machen. 
Alle Verordnungen und Neuerungen würden wenig gefruchtet haben, 
wenn nicht das Volk selbst in sich gegangen wäre. Patriotische 
Männer weckten durch Wort, Schrift und Beispiel einen ernsten, religiösen 
Sinn und werktätige Vaterlandsliebe. In Berlin hielt der Philosoph 
Fichte seine „Reden an die deutsche Nation". Ebendort sammelte der 
Theolog und Philosoph Schleiermacher die vornehmen Kreise um seine 
Kanzel und rüttelte sie aus ihrer religiösen Gleichgültigkeit auf. Beide 
wirkten dann an der 1810 gegründeten Berliner Universität. Für 
die Pflege des deutschen Volkstums trat vor allem der Berliner Gymnasial¬ 
lehrer Ludwig Jahn ein. Um dem Vaterlande möglichst viele körperlich 
und sittlich tüchtige Streiter zuzuführen, errichtete er auf der Hafenheide 
bei Berlin eine Turn anst alt und wurde so der Begründer des deutschen 
Turnwesens. Diese sittlich-religiöse Erstarkung unseres Volkes ist die eigent¬ 
liche Wiedergeburt Preußens. 
II. Die Gewaltherrschaft Napoleons und die ersten Versuche, sie zu 
erschüttern. 
1. Die Festlandssperre. Nach der Niederwerfung Preußens war das 
Streben Napoleons hauptsächlich darauf gerichtet, das noch unbesiegte 
England durch die Vernichtung seines Handels lahm zu legen. Als Mittel 
dazu sollte die F est 1 a n d s f p err e dienen. Deshalb verbot er von 
Berlin aus (S. 244) für feinen ganzen Machtbereich jeden Verkehr 
mit England. Um nun fein Ziel vollständig zu erreichen, suchte er 
alle europäischen Meeresküsten in feine Gewalt zu bringen oder die an das 
Meer grenzenden Staaten zur Anerkennung der Handelssperre zu zwingen. 
Zunächst mußte Preußen sich ihr unterwerfen; dann trat auch Rußland 
bet. Allmählich folgten alle Staaten Europas.
	        
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