40 
Und kaum noch hat vom gespenstischen Ton sich mählich der 
Nachhall verloren, so drang ihr noch lauter und deutlicher schon das 
Brüllen vom Stalle zu Ohren. 
„Barmherziger Himmel! erbarme dich mein und halte den Bösen 
in Banden!“ tief barg sie das Haupt in die Kissen hinein, dass Hören 
und Sehen ihr schwanden. 
Hier schlug ihr, indem sie im Schweifse zerquoll, das bebende 
Herz wie ein Hammer; und drittes, noch lauteres Brüllen erscholl, 
als warft vor dem Bett in der Kammer. 
Nun sprang sie mit wildem Entsetzen heraus, stieft auf die 
Laden der Zelle; schon strahlte der Morgen, der Dämmerung Graus 
wich seiner erfreulichen Helle. 
Und als sie mit heiligem Kreuz sich versehen: „Gott helfe mir 
gnädiglich, Amen!“ — da wagte sie’s zitternd zum Stalle zu gehen 
in Gottes allmächtigem Namen. 
0 Wunder, hier kehrte die herrlichste Kuh, so glatt und so 
blank wie ein Spiegel, die Stirne mit silbernem Sternchen ihr zu. 
Vor Staunen entsank ihr der Riegel. 
Dort füllte die Krippe frisch duftender Klee und Heu den Stall, 
sie zu nähren; hier leuchtet’ ein Eimerchen, weift wie der Schnee, 
die strotzenden Euter zu leeren. 
Sie trug ein zierlich beschriebenes Blatt, um Stirn und Hörner 
gewunden: „Zum Troste der guten Frau Magdalis hat N. N. hierher 
mich gebunden.“ 
Gott hatt’ es ihm gnädig verliehen, die Not des Armen so wohl 
zu ermessen. Gott hatt’ ihm verliehen ein Stücklein Brot, das konnt' 
er allein nicht essen. Bürger. 
56. Der Schatz aus Hamburg. 
1) Bor etwa 200 Jahren lebte im sächsischen Erzgebirge der Fabrik¬ 
besitzer Herr Schnorr, ein Mann, der zwar wohlhabend, doch nicht reich 
an Geld, aber reich an Kindern war, deren er sieben hatte. Ein anderer, 
als reich und redlich bekannter Handelsmann ans Hamburg war früher 
jedes Jahr gekommen, um bei unserm Schnorr Einkäufe zu machen; seit 
mehreren Jahren aber nicht mehr, und war eine beträchtliche Summe 
Geldes ihm schuldig geblieben. Weil damals die Posten noch nicht wie 
jetzt waren und allerlei Nachrichten umliefen, blieb dem guten Schnorr 
nichts übrig, als selbst nach ’ Hamburg zu reisen, nm die Schuld ein¬ 
zutreiben. Er sattelte daher/ seinen Klepper und ritt dahin ab, voll 
Hoffnung, mit einigen hübschen Röllchen geprägten Goldes und Silbers 
im Mantelsack wieder heimzukehren. Es kam aber anders. 
In Hamburg fragt Schnorr nach dem bekannten Handelsmann; 
aber statt in ein großes Kaufmannshaus weist man ihn in ein entferntes, 
niedriges Häuschen. Eine ärmliche in Trauer gekleidete Fran kommt ihm 
entgegen, in der kleinen Stube arbeiten bleiche und notdürftig umhüllte 
Kinder. Auf seine Erkundigung nach dem Handels freund erzählte ihm die 
Fran, die Augen von Tränen verdunkelt, daß ihr Mann ohne eigene
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.