Full text: Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (Bändchen 4)

§ 37. Kriegserklärung und Aufmarsch der Streitkräfte. 
preußische Doppelherrschaft in Deutschland und Spanien errichtet werden 
sollte. Am 12. Juli verzichtete Fürst Leopold freiwillig auf den ihm ange¬ 
botenen Thron, was auch König Wilhelm, ber damals in Ems weilte, als 
Oberhaupt ber Familie guthieß. Der französische Minister Gramont aber ließ 
am anberen Tage von bem König eine ausbrückliche Erklärung basür forbern, 
baß sich Preußen selber nicht bloß jenem Verzicht anschließe, sonbern auch 
für alle Zukunft eine Erneuerung ähnlicher Pläne nicht mehr zulassen werbe. 
Dieses mißtrauische Ansinnen wies König Wilhelm bem französischen Bot¬ 
schafter Benebetti gegenüber in gemessener Weise zurück. Darüber stellte sick 
bie französische Regierung beleibigt unb orbnete bie Kriegsbereitschaft an; 
ihre Kammern genehmigten am 15. Juli bie geforberten Gelbmittel. Am 
gleichen Tage eilte König Wilhelm nach Berlin zurück, wo Bismarck bereits 
bie Veröffentlichung ber Emfer Vorgänge besorgt unb im Verein mit Moltke 
bie sonst nötigen Vorkehrungen getroffen hatte. Auf feiner Rückfahrt würbe 
ber König überall mit begeistertem Zuruf begrüßt. 
2. Kriegserklärung und Kampfbegeisterung. Noch am 15. Juli hatte 
König Wilhelm im Hinblick auf bie drohenden Gefahren den Befehl 
zur Mobilmachung bes Heeres erlassen. Die französische Kriegserklärung 
wurde am 19. Juli in Berlin überreicht. Am nämlichen Tage bewilligte 
ber schleunig einberufene Reichstag des Norddeutschen Bundes einstimmig 
die verlangten Mittel sür den vaterländischen Krieg. Schon am folgenden 
Tage traf aus Bayern die willkommene Nachricht ein, daß König Lud¬ 
wig II. und die Mehrheit der Kammer sich für das Bündnis mit Preußen 
ausgesprochen. Nach Bayerns Beispiel handelten auch die anderen süd¬ 
deutschen Staaten. 
Der brüderliche Bunb zwischen Norb unb Süb hob bie gerechte Zuversicht 
aller. Unter ben Klängen ber „Wacht am Rhein" eilten Deutschlanbs Heere 
in nie dagewesener Stärke gegen ben Erbseinb — bei allem Ernste ber Lage 
ein Labsal für jebes beutfche Herz. Der Geist bes Jahres 1813 war wieber er¬ 
wacht. Die Erneuerung bes Orbens bes „Eisernen Kreuzes" gab biefer Stim¬ 
mung einen weihevollen Ausbruck. Diejenigen, bie nicht mit ins Felb zogen, 
entfalteten zu Hause eine rührige Tätigkeit: man grünbete patriotische Vereine 
unb sorgte burch hochherzige Liebesw erke sür bie Verpflegung des Heeres 
unb ber Verwunbeten, ein reiches Felb ber Arbeit unb ber Aufopferung, auf 
welchem sich auch bie Frauenwelt hohe Verdienste erworben hat. 
3. Aufmarsch der Heere. Die französische Armee war zu einem 
raschen Angriffskriege nicht genug gerüstet. »Nous sommes archiprets«, 
Hatte zwar prahlerisch ber Kriegsminister in der Pariser Kammer ver¬ 
sichert, aber nur 250 000 Mann schlecht organisierter Truppen konnten 
als „Rheinarmee“ in die Grenzgebiete nach Elsaß und Lothringen ge- 
worfen werden. Dagegen vollzog sich der Aufmarsch der deutschen Heere
	        
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