Boben^ war von den Regengüssen aufgeweicht, so daß Kanonen, Pferde und
Mannschaften in demselben versanken; aber Blücher mahnte unaufhörlich zur
Eile. „Kinder", sprach er, „ich habe es ja meinem Bruder Wellington ver¬
sprochen, ihr werdet doch mein Wort nicht zu schänden werden lassen."
Am 18. Juni griff Napoleon die Engländer an, die unweit des Fleckens
Waterloo standen.
Haufen auf Haufen der Franzosen stürmten gegen ihre Reihen, aber sie standen
unerschütterlich. Doch ihre Zahl schmolz zusammen, die Übermacht der Franzosen war
zu groß. „Ich wollte, die Preußen wären da oder der Abend", sagte der geängstigte
englische Feldherr. Da ertönt gegen 5 Uhr abends ferner Kanonendonner in der Seite
des französischen Heeres: es ist Blücher, der trotz der grundlosen Wege noch zur rechten
Zeit eingetroffen ist. Napoleon war bestürzt; noch einmal ließ er seine besten Regimenter
gegen die Engländer vorgehen, während ein anderer Teil sich den Preußen entgegenwirft.
Aber im Sturmschritt eilen diese heran, auf der anderen Seite rücken die Engländer
vor, und bald ertönte im ganzen französischen Heere der Ruf: „Rette sich, wer kann!"
Napoleon mußte fliehen; die Preußen erbeuteten seinen Wagen mit seiner Krone und
seinen Schmucksachen; das französische Heer war zersprengt und wurde von Gneisenau
die Nacht hindurch verfolgt.
Wenige Tage später hielten die verbündeten Heere den zweiten Einzug
in Paris, dem bald der zweite Pariser Iriederr folgte. Diesmal mußten die
Franzosen 700 Millionen Franken Kriegskosten zahlen und die von Napoleon
geraubten Kunstschätze zurückzahlen; doch behielten sie alle Gebiete, die sie zur
Zeit des Ausbruchs der Revolution gehabt hatten.
Nach Beendigung des Krieges gingen die Fürsten wieder nach Wien,
um die Verhältnisse Europas zu ordnen. Preußen trat einen Teil der
polnischen Besitzungen ab, die es vor 1806 besessen, dagegen erhielt es Vor¬
pommern , einen Teil des Königreichs Sachsen und Besitzungen in Westfalen
und Rheinland. Der Staat war etwas kleiner als vor 1806, aber er war
wieder zum größten Teile deutsch.
Napoleon wurde auf die Insel St. Helena an der Westküste Afrikas verbannt.
Dort verlebte er noch fünf traurige Jahre, ein Bild der Hinfälligkeit menschlicher Größe,
und starb 1821.
29. Me IriedenszeiL unter Ariedrich Wilhelm III. (1815 — 1840).
Nach den Erschütterungen, welche die Revolution und Napoleon über
Europa gebracht hatten, sehnten sich alle Völker nach Frieden. Unser Vaterland
erfreute sich desselben fast durch 50 Jahre.
Friedrich Wilhelm III. wandte zunächst seine Sorge dem Staatshaushalte
zu. Die Einnahmen und Ausgaben wurden in musterhafter Weise geordnet,
so daß die Kriegsschulden abgezahlt unb doch große Summen für das Heer,
für Anlegung guter Straßen und für Kunst unb Wissenschaft verwenbet
werben konnten.
Große Verbienste erwarb sich ber König burch bie Gründung des Zoll¬
vereins. Bisher mußten an ber Grenze eines jeben beutschen Staates bie
Waren verzollt werben, wobnrch ber Hanbel sehr gefchäbigt würbe. In ben
Staaten aber, welche bem Zollverein beitraten, würben bie Waren frei ans-
unb eingeführt. Daburch wie burch bie Erstnbung ber Eisenbahnen unb ber
Telegraphie nahmen Hanbel unb Gewerbe neuen Aufschwung; bie Deutschen
lernten auch immer mehr, sich als ein Volk zu fühlen.