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III. Aus dem Leben großer deutscher Männer und Frauen.
sich bis Paris durch. Das 11'/»jährige Nannerl trug in den Konzerten
die schwersten Stücke der berühmtesten Meister vor, und in Paris
machte sie sogar die allbeliebten Modevirtuosen durch ihre Fertigkeit,
vom Blatt zu spielen, auf sich eifersüchtig. Wolsgang aber leistete
— wie Vater Leopold ganz richtig betonte — Dinge, um die ihn
vierzigjährige Musiker beneideten. Er trug schwere Stücke auf der
Geige, dem Klaviere, der Orgel vor, er spielte vom Blatt jede Parti¬
tur. Er nannte alle Töne, die man ihm einzeln oder in Akkorden
aus dem Klaviere angab, bestimmte nach dem Gehöre die Klänge von
Glocken, Gläsern und allen erdenkbaren Tonwerkzeugen. Er spielte
auf verdeckter Klaviatur — ein Trick, auf den ihn Kaiser Franz ge¬
bracht hatte — kurz, Wolfgang zeigte seine glänzenden Gaben und
Fertigkeiten unverdrossen im hellsten Lichte und erntete begeisterte Be¬
wunderung überall, wohin er kam. Auf besondere Empfehlungen hin
wurden die Mozarts am französischen Lose sehr freundlich aufgenom-
rnen. Freilich so herzlich wie in Wien war hier der Verkehr nicht,
und entrüstet rief unser kleiner Äeld aus, als er Madame Pompadour
mit seinen liebkosenden Ärmchen umfassen wollte: „Wer ist denn die
da, daß sie mich nicht küssen will? Äat mich doch die Kaiserin geküßt!"
Aber die königliche Familie selbst war weniger zurückhaltend mit ihren
Zärtlichkeiten gegen die Kinder, und der kindlich ungezwungene Verkehr
mit den Prinzessinnen veranlaßte die Drucklegung von vier allerliebsten
Sonaten, die Wolfgang für Klavier und Violine schrieb und die als
erstes gedrucktes Werk Mozarts der Prinzessin Victoria gewidmet wurden.
Der siebenjährige Virtuos und Komponist trat hier in Paris fast wie
ein Wegmacher für Gluck auf. Denn bis dahin war von Hochachtung
der Pariser vor der deutschen Musik nicht gerade viel zu merken. Zn
dem kleinen Mozart aber trat den stolzen Parisern ein unbezweifeltes
Genie lebendig vor Aug' und Ohr, dessen Abstammung zum ersten Male
eine lebhaftere Aufmerksamkeit der Franzosen aus Deutschland lenkte.
Es fehlte denn auch hier in Paris, wie vordem in Wien, nicht an
Lobrednern, die in Versen und Prosa sein Genie verherrlichten.
Noch größere Ehren aber warteten der Familie in England, wo
sie fünf Vierteljahre lang, vom April 1764 bis zum Juli 1765, ver¬
weilte. Leopold schreibt an seinen Freund Hagenauer in Salzburg,
dem er regelmäßigen Bericht über seine Reiseerlebnisse abstattete:
„Man hat uns an allen Höfen außerordentlich höflich begegnet,
allein was wir hier erfahren haben, übertrifft alles andere." Wiederum
war es hier zuerst die königliche Familie, die sie mit Ehrenbezeugungen
überhäufte, joier war deutsche Art und Musik durch die Königs-