Full text: Die deutsche Urzeit (Teil 1)

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Mannes genügen, in den Haustierchen fortzuleben, die Seele der Edlen, 
Mächtigen und Starken suchte auch ein ihr ähnliches Tier, den Falken, 
den Ar, den Bären, den Wolf. Kriernhilde träumte von ihrem Falken 
(Siegfried), daß ihn zwei Adler erkrallten (Hagen und Günther). 
Die Seele der verstorbenen Königstochter war eine Schlange (Märchen: 
Die drei Schlaugenblätter, Grimm 16). Abgeschiedene Seelen sind 
Mäuse, so in der Sage von Bischof Hatto von Mainz und dem 
Bing er Mäuseturm, vom Rattenfänger von Hameln; Faust 
tanzte in der Walpurgisnacht mit einer jnngen schönen Hexe, aber mitten im 
Gesang sprang ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde. Eine Kröte ist die 
Seele im Märchen von der Unke (Grimm 105) und von den drei 
Federn (Grimm 63). In manchen Gegenden glaubt man, daß die Unken 
verwandelte Jungfern seien, die nicht heiraten wollten und nun verdammt seien, 
ihr Schicksal den Vorübergehenden in melancholischen Tönen zu klagen. 
Unk, Unk, Unk! 
Vorzeiten war ich jung. 
Hätt' ich einen Mann genommen. 
Wär' ich nicht in Teich gekommen. 
Unk, Uns, Unk! 
Vorzeiten war ich jung. 
(Böhme, Kinderlieb und Kinderspiel Nr. 904.) 
Der Knabe, ben seine Stiefmutter schlachtete (Märchen vom Machanbel- 
boom, Grimm 47), ben sein Vater nichts ahnenb aß, bessen Knochen seine 
treue Schwester unter bem Machandelboom begrub, ward zu einem Vogel. 
„Dor güng so'n Newel von bem Boom, un reht in bem Newel bar brennb dat 
as Führ, un uut dem Führ dar slöög so'n schönen Vagel heruut, der 
füng so herrlich und flöög hoch in de Luft. Dann sett't he sik up enen Gold- 
smidt syu Hnus un füng an to fingen: 
mein Mutter der mich schlacht, 
mein Vater der mich aß, 
mein Schwester der Marlenichen 
sucht alle meine Benichen, 
bindt sie in ein seiden Tuch, 
legts unter den Machandelbaum. 
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!" 
Deutlich ist aus diesem Märchen auch zu erkennen, wie sich wohl die Vorstel¬ 
lung, daß die Seele ein Hauch (Nebel) fei, zu der, daß sie ein Vogel fei, um¬ 
gebildet hat. Das Märchen vom Aschenputtel (Grimm 21) erzählt, daß, 
wenn Aschenputtel auf dem Grab ihrer Mutter weinte und betete und einen 
Wunsch ausfprach, allemal ein weißes Vöglein kam und ihm alles zuwarf, was 
es sich gewünscht halte. Das weiße Vöglein war die Seele seiner verstorbenen 
Mutter, die auch über Grab und Tod hinaus ihrem Kinde immer hilfreich zur 
Seite stand. — Schneiders Wanderschaft: 
Der Schneider fing an zu sterben, 
Sein Seel fuhr in die Geiß. 
(Erk und Böhme, Liederhort in, Nr. 1632, Str. 5.)
	        
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