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Über eine kleinere Pfalz (Anaspinm, Lage unbekannt) berichteten die mit
der Besichtigung beauftragten Beamten 812: „Wir fanden in dem Fiskal¬
hofe zu Anafpium einen aus Stein vorzüglich errichteten königlichen Salb au
mit drei Kammern, den ganzen Bau mit Söllern umgeben, mit elf heiz¬
baren Gemächern, unter ihnen einen Keller, ringsherum zwei Portiken, im
Hofraum dann siebzehn Holzhäuser, mit ebenfovielen Kammern und ander¬
weitigem Zubehör wohlausgestattet, dazu einen Stall, eine Kirche, eine
Bäckerei, zwei Speicher und drei Scheunen, den ganzen Hof von einer
Verfchanzung fest umhegt, die Verfchanzung mit einem steinernen Tore und
über diesem einen Söller. Zuletzt fanden wir noch ein in ähnlicher Weife
wie den vorgenannten Hof von einem Gehege umgebenes Gärtchen, sehr
hübsch in Ordnung gehalten und mit verschiedenen Obstsorten bepflanzt."
(Stephani II, 98.) Man erkennt aus dem Berichte deutlich das Alte und
das Neue; alt ist das Nebeneinander vieler einräumiger Häuser aus Holz
(I § 6, 4), neu ist das Haus mit dem Keller, mit einem Obergeschoß,
mit mehreren Räumen in beiden Gefchoffen, die Heizung und die Ver¬
wendung des Steins als Baustoff. Das Lehnwort gibt über diese Vor¬
gänge genaue Auskunft.
Der Salbau von Anafpium hatte ein Obergeschoß, lat.-solarium,
ahd. solari, nhd. Söller. Anschaulicher nannten es die Deutschen ahd.
üfhus, d. h. das Haus, das auf dem andern steht. Zum tifhtis war
ein Zugang nötig; nach altem Gebrauch nahm man zunächst wohl die
Leiter, dann eine teitemrtige Treppe, ließ diese oben in einem breiteren
Austritt endigen und schützte alles durch ein Dach. Diese Einrichtung,
ahd. hleitara oder, indem mein an die Stufenfolge dachte, lat.-ahd.
scala leitara können wir Heute noch an manchem Bauernhause und
an den Bergfrieden der Burgen sehen. Das Erdgeschoß war in drei, das
Obergeschoß in elf Räume gegliedert; man Hatte diese Gliederung von den
Römern gelernt und nannte daher wie diese den einzelnen Teil des Raumes
ahd. karnara, chamara, Kammer, von lat. camera (ursprünglich
ein überwölbter Raum, S. 84), oder, wenn er heizbar war, nach dem
Kamin, lat. caminum, ahd. cheminäta, mhd. kemenate (mlat.
caminata). Das alte Augentor wich dem Fenster, das tiefer und be¬
quemer angebracht ward; lat. fenestra, ahd. venstar. Stein war
dauerhafter, aber auch vornehmer als Holz. Aus Stein waren die Pfeiler
des Tores, lat. pilarium, ahd. pfilari; der Weg vom Tor zum
Salbau Hieß tat. emplastrum, ahd. pflastar, flastar. Der vor¬
nehme Herr setzte feinen Fuß nicht auf Lehmboden, sondern auf Stein¬
platten, die sternförmig zusammengesetzt wurden: lat. astricus (astrum
der Stern), ahd. astrih, estrih. Das Gewände fertigte man aus
Backsteinen, aus denselben, aus denen schon die Legionäre ihre Burgen ge¬
baut hatten, lat. tegulum, tegula, ahd. ziagal, ziegel, nhd.