Full text: Ottonen und Salier (Teil 3)

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„Wenigen Herren stand eine Überzahl von Hörigen gegenüber, 
nirgends hatte der, der den Acker bebaute, Eigentum an dem Grund 
und Boden, auf dem er arbeitete. Bei der geringen Sorgfalt, mit 
der der Acker bestellt wurde, konnte auch der Ertrag nur gering 
sein. Dazu kam, daß die einzelnen Grundstücke von sehr geringer 
Ausdehnung oder bei größerem Umfang mit einer zu großen Zahl 
abhängiger Familien belastet waren. Sollte ein Hof, der einen deut¬ 
schen Bauern ernährte, vier Wendensamilien erhalten, so mußte ihre 
Lage eine armselige sein. Eine tiefe Kluft schied die Herren und bie 
Knechte. Schon in dem Namen, mit dem man die Knechte bezeichnete: 
sumodi, d. H. die Stinkenden, lag die Verachtung, die der Herren¬ 
stand gegen sie empfand. 
Alle wendischen Stämme waren noch rein heidnisch. Überschritt 
man die Saale und die Elbe, so verließ man das Land der Kirchen, 
man gelangte in das Land der heiligen Haine. Jeder Wendengau 
hatte sein eigenes Heiligtum: hier waren es Tempel, dort Berge, 
Quellen oder Bäume. In ganz Schlesien galt kein Ort heiliger als 
der hochragende Zobten; die Daleminzier sammelten sich in scheuer 
Verehrung um den Quell Glovuzi, den Paltschen See bei Lommatzsch: 
sie waren der Überzeugung, daß sein klares oder trübes Aussehen 
auf kommendes Glück oder Unheil deute. In einem heiligen Hain 
zwischen Elster und Saale östlich von Lützen hatten die Sorben das 
Heiligtum ihres Stammes: niemand hätte gewagt, einen Baum des¬ 
selben zu beschädigen. Zu den heiligen Orten der Wilzen gehörte 
Brandenburg. Die Nordslawen hatten ihre Heiligtümer in Sege- 
berg, Plön und Oldenburg. Kein Tempel aber war berühmter als 
der des Redigast in Rethre im Lande der Redarier: das aus Holz 
gebaute, mit barbarischer Pracht ausgestattete Heiligtum lag im oder 
am Tollensee, es war rings von einem heiligen Hain umgeben. 
Ihre Götter verehrten die Wenden unter mancherlei Bildwerken; 
sie werden gewöhnlich von Holz gewesen sein; andere waren von Erz 
gegossen, von anderen glaubte man wenigstens, sie seien aus Gold. 
Wenn beit Deutschen diese Götterbilder als fratzenhaft und ungestalt 
erschienen, so werden die Wenden gerade in dem Phantastischen das 
Übermenschliche erblickt haben. Sie nahmen ihre Götterbilder selbst 
in den Krieg mit oder bildeten sie auf den Feldzeichen nach. Doch 
gab es auch bildlose Heiligtümer. Im Unterschied vom deutschen 
Heidentum gab es bei den Wenden eine ständige Priesterschaft. Sie 
hatte den Opferdienst an den heiligen Orten zu verrichten und die 
Zukunft zu erkunden. Bei dem hohen Ansehen, das sie genoß, 
war sie für den Fortbestand des Heidentums von großer Bedeu¬ 
tung."
	        
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