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D>tese Frauenverehrung und bieferr Frauendienst erzeugten zweierlei.
Der Ritter suchte den Umgang mit Frauen, und deshalb war es
nötig, daß er sich mit seinem Anstand zu benehmen wußte, daß er es
verstand, mit Höflichkeit und vornehmer Sitte sich den Frauen gegen¬
über zu betragen. So entwickelten sich immer mehr und immer feinere
Regeln über den Anstand und die Sitte, über Grüßen und Neigen,
über Abschied und Kommen, über Reden und Schweigen usw.
Aber diese Äußerlichkeiten sollten doch auch mehr sein, sie sollten
Zeichen sein einer inneren Bildung, einer tieferen sittlichen An-
schaumig, wie das Gottfried von Straßburg in seinem Tristan schildert:
Nu bedenke ritterlichen pris
und ouch dich selben, wer du sis,
din geburt und din edelkeit
si dinen ougen vür geleit:
wis diemüet und wis unbetrogen,
wis warhaft und wis wolgezogen,
den armen, den wis iemer guot,
den riehen iemer hochgemuot,
er (ehre) unde minne elliu (jedes) wip,
wis milte unde getriuwe
und iemer dar an niuwe
(und das immer von neuem).
Zweite, was durch den Frauendienst hervorgerufen wurde
ist der Minnesang.
Minne = Siebe (heute noch gebräuchlich in dem Fragewort des
trauenden Pastors an die Verlobten: wollt ihr euch in Treuen
„meinen"?). Minnesang bedeutet daher Liebeslieddichtung, also Ge-
sang, Dichtung zu Ehren der Frauen. Wir haben gesehen, wie durch
die Kreuzzüge der poetische ©tun des ganzen Abendlandes erregt und
durch sie die Dichtung mächtig gefördert wurde; ganz besonders mußte
das bei dem stände der Fall sein, der eine so hervorragende Rolle
in den Kreuzzügeu gespielt hatte, dem Ritterstand.
Herrliche Meister deutscher Dichtung hat der Ritterstand jener
Zeit hervorgebracht, Meister wie Wolfram von Eschenbach, den Dichter
des Pareival, Heinrich von Veldeke, den Dichter der „Eneit", Hart-
ntemn von Aue, den Dichter des „Armen Heinrich", Gottfried von
Straßburg, den Dichter von Tristan und Isolde, vor allem aber den
ludei unbekannten Dichter des gewaltigen Epos, das einer der größten
Schäre der deutschen Dichtkunst ist, des „Nibelungenliedes" und den
des „Gudrunliedes".
^ Diesen Meistern der erzählenden Dichtkunst treten nun aber zur
Seite die eigentlichen Minnesänger, die ritterlichen Sänger, die zum