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das Volk. Jetzt faßte der demokratische Bürgermeister Wullenweber
von Lübeck, da er sah, daß die Macht der Hanse durch die beginnende
wirtschaftliche Erstarkung der skandinavischen Reiche zurückging, den Plan,
mit Gewalt die Vorrechte der Hanse zu behaupten. Er erklärte den ge¬
fangenen Christian für den rechtmäßigen Röntg und begann im Bunde
mit dem Grafen Christoph von Oldenburg den Krieg gegen Dänemark.
Der demokratische Bürger- und Bauernstand erhob sich auch gegen
Christian III., und es gelang Wullenweber, Kopenhagen zu erobern,
sowie die dänischen Inseln zu besetzen und den Sund in seine Gewalt
zu bringen. Aber jetzt rückte der holsteinische Adel vor Lübecks Tore,
Wullenweber mußte mit Christian einen Teilfrieden für Holstein schließen,
und dieser eroberte jetzt die dänischen Inseln zurück. Nun erhob sich die
Aristokratie in Lübeck gegen Wullenweber, stürzte ihn und schloß mit
Dänemark 1536 den Frieden zu Hamburg. Wullenweber wurde auf einer
Reise gefangen genommen und an den Herzog Heinrich von Braunschweig
ausgeliefert, der ihn nach einem folterreichen Prozeß hinrichten ließ.
Wäre Karl V. ein deutscher Kaiser gewesen, so hätte er Wullenweber
unterstützen müssen, denn die Macht der Hanse beruhte auf der wirtschaftlichen und
kulturellen Rückständigkeit der nordischen Völker; sobald diese begannen, wirt¬
schaftlich zu erstarken, waren die Privilegien der Hanse nur durch Gewalt zu halten;
das hatte Wullenweber erkannt und handelte danach. Karl aber, anstatt die deutsche
Hanse zu schützen, handelte ihr entgegen im Interesse seiner niederländischen Haus-
macht; denn er war es, der Wullenwebers Sturz in Lübeck durch seine Forderung
der Wiederherstellung der alten aristokratischen Verfassung bewirkte. So zeigte sich
auch hier wieder der undeutsche Charakter des deutschen Kaisers.
Christian III. 1534—1559 wurde nun allgemein als König anerkannt
und vollendete jetzt das Werk der Reformation in Dänemark. Er ließ
die Bischöfe sämtlich verhaften und gab ihnen die Freiheit erst wieder,
als sie auf ihre Würde Verzicht geleistet hatten. Ein in Kopenhagen
abgehaltener Reichstag schaffte die politischen Rechte der Kirche ab und
zog die Kirchengüter ein, in die sich Königtum und Adel teilten. Dann
rief Christian Johannes Bugenhagen ins Land, der eine Kirchen¬
ordnung verfaßte, die die Kirche in völlige Abhängigkeit von der Krone
brachte. Einigen Geistlichen wurde der Titel Bischof gelassen.
Norwegen wurde, weil es Lübeck unterstützt hatte, zu einer dänischen
Provinz gemacht, und auch hier wurde die Reformation durchgeführt.
Rückblick.
1. In den germanischen Ländern gewann das lutherische Bekenntnis Boden,
in den romanischen und rein keltischen (Schottland) der Calvinismus.
2. In England, Dänemark mit Norwegen und in Schweden war die Refor¬
mation ein Wert der Krone, in Frankreich und Schottland (Adel, Parlament) ein
Werk des Volkes.
3. Überall verquickte sich mit der Religion die Politik.
a) Die innere:
In Frankreich ist der Kampf um die Religion zugleich ein Kampf um die
Krone, in Dänemark gibt die Reformation Anlatz zum Kampf um die Krone, in
Schweden begünstigt die Krone die Reformation aus politischer Klugheit; in
England werben bie religiösen Verhältnisse zum Ausgangspunkt für Thron¬
kämpfe gemacht. (Ioh. Eray).