Schilderung des Mittelalters. á 
Das Mittelalter. 
63. Das Ritterwesen. 
Man hat das Mittelalter, auch die Ritterzeit ge¬ 
nannt, und in der That ist es das Nitterthum, wel¬ 
ches ihm hauptsächlich seine Gestalt gegehcn hat. Durch 
die Ausbreitung des Lehnswesens über ganz Teutsch- 
land war, wie schon gezeigt ist, der Adel der Haupt- 
theil der Nation geworden, bis zu solchem Grade, daß 
außerhalb der Städte wenig gemeine freie Leute mehr 
gefunden wurden. Die Kriege wurden allein durch 
den Adel und seine Diener geführt; er kämpfte nur 
zu Pferde, war mit schweren, eisernen Waffen bedeckt, 
und von Jugend auf darin so geübt, daß er sie nicht 
nur tragen, sondern die Glieder frei und kräftig dar¬ 
in bewegen konnte. Ein so geharnischter Mann zu 
Pferde war den gemeinen Kriegern, die zu Fuße dien¬ 
ten und schlechter bewaffnet waren, sehr weit überle¬ 
gen; und bald zählte man ein Heer nur nach der 
Menge seiner Ritter. Um solche Vorzüge zu behaup¬ 
ten, mußte die Erziehung des Adels ganz kriegerisch 
seyn. „Die in Teutschland gcbornen Knaben lernen 
eher Reiten als Reden, sagt ein alter Schriftsteller; 
die Pferde mögen laufen, wie sie wollen, so bleiben 
sie unbeweglich sitzen; sie führen ihren Herren die lan¬ 
gen Lanzen nach; durch Kälte und Hitze abgehärtet, 
sind sie durch keine Arbeit zu ermüden. ' Das Tragen 
der Waffen kömmt den Teutschen eben so leicht an, 
als das ihrer eigenen Glieder, und es ist eine erstau- 
nenswürdige und fast unglaubliche Sache, wie geschickt 
sie sind, Pferde zu regieren, Pfeile abzuschießen, und 
Lanze, Schild und Schwerin zu gebrauchen." 
Bei dieser ausschließlichen Richtung auf die Aus¬ 
bildung körperlicher Kraft, da die geistigen Beschäfti- 
acn, welche in späteren Jahrhunderten als Haupt- 
der Erziehung zu gelten anfingen, gänzlich unbe- 
kanut waren, hätte das Zeitalter in tiefe Barbarei
	        
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