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wildem Schreien und Toben der Menge begann das Verhör.
Der Statthalter wünschte den ehrwürdigen Mann zu retten und
rief ihm zu: „Schone deines Alters, schwöre bei den Göttern und
fluche Christo!" Doch Polykarpus erwiderte: „Sechsundachtzig
Jahre habe ich ihm gedient, und er hat mir nie etwas zu leide
gethan; wie sollte ich meinen König lästern, der mich selig ge¬
macht!" Der Statthalter wurde unwillig und drohte mit wilden
Tieren, mit Martern und Feuersqual. Ruhig entgegnete der
fromme Bischof: „Du drohest mit einem Feuer, das nur einen
Augenblick brennt und bald verlischt; aber du weißt nichts von
dem ewigen Feuer des Gerichts, welches den Gottlosen aufbehal¬
ten ist." Da verkündete ein Herold dem harrenden Volke: „Poly¬
karpus hat bekannt, daß er ein Christ sei!" und tausend Stimmen
antworteten: „Das ist der Vater der Christen, der so viele ge¬
lehrt hat, nicht mehr zu opfern und anzubeten!" Er wurde ver¬
urteilt, lebendig verbrannt zu werden, und Juden und Heiden
waren geschäftig, den Scheiterhaufen zu errichten, den der Mär¬
tyrer besteigen mußte. Als man ihn an einen Pfahl binden
wollte, sprach er: „Laßt mich, wie ich bin; der mir Kraft giebt,
die Glut des Feuers zu ertragen, der wird mir auch helfen, un¬
beweglich in derselben zu stehen." Der Holzstoß wurde angezün¬
det, und unter Lobpreisungen erwartete der greise Glaubensheld
den Tod. Doch die Flamme wehte abwärts, als scheue sie sich,
den Heiligen zu verzehren, bis ein Henker hinzutrat und ihm
einen Dolch ins Herz stieß. Seine Gemeinde aber feierte den
Sterbetag des teuren Hirten als seinen himmlischen Geburtstag,
und seine gesammelten Überreste bewahrte sie als das köstlichste
Vermächtnis.
25. Aurelius Augustinus.
Aurelius Augustinus, einer der berühmtesten Lehrer der
christlichen Kirche, wurde zu Tagaste im nördlichen Afrika gebo¬
ren. Sein Vater, ein Ratsherr, blieb bis kurz vor dem Tode
dem Heidentum ergeben, während feine Mutter, die fromme Mo¬
nika, seit ihrer Jugend eine eifrige Jüngerin Jesu war. Da der
erstere frühzeitig starb, leitete die letztere die Erziehung des Kna¬
ben, und wie sie selbst das Heil ihrer Seele in Christo gefunden,
so suchte sie auch ihren Sohn der Segnungen des Evangeliums
teilhaftig zu machen. Um fo schmerzlicher mußte es ihr sein, daß
er allen ihren Bitten und Ermahnungen den Eingang in sein
Herz verschloß, ja daß er sich immer mehr vom rechten Wege
entfernte. Wohl erlangte er bereits in jungen Jahren den Ruf
ausgezeichneter Gelehrsamkeit, aber von dem,' was dem Menschen
am meisten not thut, wollte er nichts wissen. Im Verkehr mit