Full text: Das Mittelalter (Bd. 2)

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die Ungarn nebst den zu ihrem Reichsverbande gehörigen Sieben¬ 
bürgern, Kroaten und Slavoniern entschieden, daran teilzunehmen. Nur 
die siebenbürgischen Deutschen ließen sich bewegen, den Reichsrat zu 
beschicken, dasselbe thaten auch die Deutschen in Böhmen, während die 
Czechen vom Gesamtstaat nichts hören wollten, sondern in ihrem 
blinden Hasse gegen alles, was deutsch war, von einem slavischen Welt¬ 
reich träumten, das von Rußland geschaffen werde müsse. 
Das Verhalten der Regierung im dänischen Kriege erregte auch 
in dem verfassungstreuen Deutsch-Österreich eine große Verstimmung. 
Man klagte über die nutzlosen Opfer an Gut und Blut und über die 
gänzliche Vernachlässigung des deutschen Bundes. Graf Rechberg, der 
Minister des Auswärtigen, legte im Oktober 1864 sein Amt nieder 
und überließ das undankbare Feld einem Nachfolger, der erst Er¬ 
fahrungen sammeln mußte. Auch Schmerling, der Minister des Inneren, 
welcher die konstitutionelle Verfassung (die Februarverfassung) kräftig 
vertrat, die Ungarn aber nicht für den Gesamtstaat hatte gewinnen 
können, zog sich zurück. Das neue Kabinett schlug sogleich eine andre 
Bahn ein. Im September 1865 wurde die Februarverfassung sus¬ 
pendiert, der Reichstag auf unbestimmte Zeit vertagt und im engsten 
Rate des Kaisers der Gedanke erwogen, ob es nicht besser sei, Ungarn 
und seinen Nebenländern eine eigene Verfassung zu gewähren, die 
Monarchie also in zwei Hälften zu zerlegen, die nicht in einem kon¬ 
stitutionellen Reichsrate, sondern einzig und allein in der kaiserlichen 
Regierung ihre Verknüpfung fänden. Den Ungarn war dies ganz 
recht; als aber die Regierung vorschlug, die Verfassung von 1849, 
deren Einführung die Magyaren immer von neuem gefordert hatten, 
einer Revision zu unterwerfen, verweigerte der ungarische Landtag 
seine Zustimmung und erklärte, daß etwaige Änderungen ihm selbst, 
nachdem die Verfassung wieder in Kraft getreten sei, überlassen bleiben 
müßten. Infolgedessen wurde auch er auf unbestimmte Zeit vertagt. 
Österreich befand sich wirklich in einer schlimmen Lage. Der Ver- 
sassuugskonflikt nahm fein Ende, und die Finanznot hatte eine solche 
Höhe erreicht, daß ein Staatsbankerott unvermeidlich schien. Auch in 
Preußen bestand ein Konflikt zwischen dem Abgeordnetenhaus und dem 
Ministerium; aber in allen Verhältnissen des Staates herrschte die 
größte Ordnung. 
Die Spannung zwischen den beiden deutschen Großmächten ver¬ 
schärfte sich nach dem Gasteiner Vertrage von Tag zu Tag, denn die 
schleswig-holsteinfche Frage drängte offenbar zu einer gewaltsamen
	        
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