Büchner: Die romanische Kunst. 123
Kunstwerk entwickelt. Der Grundriß der romanischen Kirche bleibt im
wesentlichen derjenige der Basilika; ein auch bei glänzendster Entwickelung
nur dreischisfiges Langhaus, anfangs schwerfällig und schlicht, später zier¬
licher, reicher, aufstrebender. Das Mittelschiff meist von der doppelten
Höhe und Breite der Seitenschiffe, das Gebäude stets ostwestlich gestellt, der
Chor als Heiligstes sinnvoll nach Morgen gewendet. Am Ende des Lang¬
hauses zur Herstellung der lateinischen Krenzsorm ein kräftig vorspringen¬
des Querschiff von der Höhe des Mittelschiffes, bisweilen gleich dem
Chor halbrund abgeschlossen oder mit Apsiden
im Osten versehen. Jenseits des Querschiffes
setzt sich das Hauptschiff noch um ein Quadrat
fort, schließt dann halbrund, später mehreckig
ab, sodaß sich die frühere Apsisnische zum
langgestreckten Chor erweitert, bisweilen noch
von einer Fortsetzung der Seitenschiffe um¬
faßt. An der Dnrchschneidnng von Lang-
und Querschiff entsteht die Vierung, ein
viereckiger, von starken Pfeilern umgrenzter
Raum, vielfach zum Chore gezogen und gleich
ihm der Geistlichkeit vorbehalten; die einschließen¬
den steinernen Schranken, besonders gegen das
Langschiff hin, mit reichem architektonischen und
bildnerischen Schmnck; von den hier befind¬
lichen zwei Kanzeln heißt diese Schranke lecto-
rium, Lettner. Der ganze Chorraum wird
gewöhnlich um mehrere Stufen erhöht; unter
demselben befindet sich eine gewölbte niedrige
Gruftkirche,Krypta, als Grabstätte von Geist¬
lichen oder Fürsten dienend, mit einem Altar
für kirchliche Totenfeier. Der Vorhof fällt in
der Regel ganz weg, die Vorhalle, wenn sie
überhaupt bleibt, wird in das eigentliche
Kirchenhaus gelegt; dafür erscheint ein reich geschmücktes, bisweilen durch
einen auf zwei Säulen ruhenden Vorbau, Paradies, umrahmtes Portal,
an Stelle desselben bei größeren Kirchen mehrfach ein Westchor, diesem
vorgelegt ein zweites Querschiff mit einer zweiten Vieruug. Über jeder
Vierung erhebt sich eine achteckige Knppel mit Spitzdach oder mit Spitz¬
turm. Die altchristliche Baukunst besitzt nur einen Turm, den sie nicht
organisch mit der Kirche zu verbinden weiß; die romanische Kunst hat
meist mehrere Türme, welche in großer Mannigfaltigkeit zu beiden Seiten
dev Westportals, des Ost- und des Westchores und über der Vierung er¬
scheinen, rund oder viereckig, ins Achteck übergehend, mit Stein- oder
Grundriß des Doms zu Worms.