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Mittelalter.
Die Seitenschiffe toerben, tote es schon in ben romanischen Kirchen
Südfrankreichs üblich gewesen war, um ben nicht mehr halbrunden,
sonbern Polygonen Chor als Umgang fortgeführt imb mit einem ganzen
Kranze ebenfalls polygoner Kapellen umgeben.
Der stolz aufsteigende Spitzbogen erhebt sich leicht auf ben Säulen
unb Pfeilern bes gotischen Baues, bie, reich gegtiebert unb ausgekehlt,
schlanken Baumstämmen gleichen. Währeub bie romanischen Pfeiler
rechtwinkelig angelegt finb, haben bie gotischen meist eine runbe Grunb-
form, an welche sich vier stärkere und ebeufoviele schwächere Halbsäulen
(bie sogenannten alten unb jungen Dienste) als Träger be/Gewölbe¬
rippen lehnen. Noch wirksamer gestaltet sich ber Pfeiler, wenn fein
Schaft zwischen ben Diensten eine Aus¬
kehlung erhält. Die Basis oder ber
Sockel der Pfeiler gestaltet sich Poly¬
gon in zwei Abteilungen, die durch
feine, an die attische Basis erinnernde
Glieder miteinander verknüpft werden.
Die Knäufe (Kapitale) find von zier¬
lichem Blätterwerk umwunden, welches
zum erstenmale die Nachahmung der
natürlichen Pflanzenwelt, der Eicheln,
Disteln, des Ephens, des Weinlaubes
u. s. w. aufnimmt. Über den Kapita¬
len laufen die Säulen in strahlen¬
förmig auseinandergehende Gurten
und Rippen aus, die dem kühnen Bau
den lebendigen Einbruck eines Wal-
bes geben. Die schwere tote Masse
bes Steines ist überwunden mit ben
schlanken Pfeilern, mit den hohen, die ganze Wandflüche füllenden Fenstern,
welche dem Innern eine bis dahin unerreichte Lichtwirkung zuführen.
Die weiten, prächtigen Fensteröffnungen in den mannigfaltigsten Formen
ihres Maßwerkes, ihrer Drei-, Vier-, Fünf-, Sechspäffe u. s. w., die
sich aus den kräftig profilierten, vertikal aufsteigenden Pfosten ent¬
wickeln, find ausgefüllt mit leuchtenden Glasgemälden, sie sind ein
Glanzpunkt bes gotischen Stiles. Unter ben Fenstern wirb bie Wanb
des Mittelschiffes oft bitrch Galerieen auf ©änlichen, sogenannte Trifo-
rien, völlig burchbrochen, bie bann bisweilen ebenfalls als Fenster
behanbelt werben, sobaß bie Mauerflächen fast gänzlich ausgelöst er¬
scheinen. (Vgl. S. 190.)
Nach außen stützt ein System von kräftigen, ans ber Mauerfläche
vortretenben Strebepfeilern, bie durch kühn gespannte Strebebogen
srrtt,
Gotischer Bündelpfeiler mit 4 alten u. 4 jungen
Diensten. (Dreiviertelsäulen). Vom Kölner
Dom.